Austausch zwischen Deutschen und Japanern

Ausstellung für Bildkunst und Handfertigkeit

 
 
Die AusstellungDie japanischen BesucherSonderausstellung für Prinz Higashikuni no Miya

Im März 1918 organisierten die Gefangenen eine „Ausstellung für Bildkunst und Handfertigkeit" im Kōkaidō, eine Art Gemeindehalle, in Bandō. Auf dieser Ausstellung gab es von den Lagerinsassen gemalte Bilder und selbst gefertigte Gegenstände wie Schiffsmodelle, Spielsachen, Lampen u.v.a.m. zu sehen (näheres zur Ausstellung siehe Themenrundgang „Ausstellung für Bildkunst und Handfertigkeit"). Die Ausstellung war nicht nur für die Gefangenen selbst, sondern auch für die japanische Bevölkerung zugänglich. Wie dem Werbeplakat der Eisenbahngesellschaft Awa Denki Kidō Kabushiki Gaisha zu entnehmen ist, verkaufte die Bahngesellschaft sogar Fahrkarten für die Anreise zur Ausstellung mit einem Rabatt.

 

Auf dem Ausstellungsgelände. Foto aus Besitz des Deutschen Hauses Naruto, Negativ-Nr. 38-30

War die Ausstellung ursprünglich nur vom 8. bis 17. März geplant gewesen, so wurde sie auf Wunsch der Lagerbehörde um zwei Tage verlängert (1). Grund war der sehr große Andrang japanischer Besucher, aber auch das schlechte Wetter, durch das viele Interessierte die Ausstellung nicht besuchen konnten. Insgesamt gab es vier deutsche und acht japanische „Besucher-Tage" mit einer Gesamtbesucherzahl von 50.095 Personen (2). Besonders erwähnt werden in der „Baracke" die folgenden Besucher: „… Herr Pfarrer Schröder aus Tokyo, die in Tokushima wohnenden deutschen Damen und eine Anzahl unserer Landsleute aus Kobe. In den ersten Tagen besichtigten die Spitzen der japanischen Behörden die Ausstellung, u.a. der Stadtkommandant von Tokushima, Generalmajor Yamaguchi, zahlreiche Offiziere des Inf. Reg. Nr. 62, ein Vertreter des Ackerbau-Ministeriums, der Präfekt des Tokushima-ken, der Vorsitzende des Provinzial-Landtages, außerdem viele Beamte, Stadtverordnete, Fabrikanten und Kaufleute." (3)

 

Angesichts von durchschnittlich über 5500 Besuchern an den „japanischen Tagen" muss die Ausstellung sehr überfüllt gewesen sein. Fotos zeigen Schlangen vor dem Tempeltor und in der „Baracke" heißt es: „In endloser Reihe belagerten Männer und Frauen, Kinder und Greise aller Stände den Eingang, ... und ängstlich hielten sich viele am Kimono des Vordermannes um ja nicht den glücklich ergatterten Platz in der Reihe zu verlieren." (4). Zahlreiche Schulklassen wurden durch die Ausstellungsräume geschleust und 18 Dolmetscher bemühten sich den Japanern die deutschen Gegenstände zu erläutern (5). Von den kleinen Besuchern steht in der „Baracke" zu lesen: „Das dankbarste Publikum waren aber wohl die zahlreichen Kinder, die unter Führung ihrer Lehrer und Lehrerinnen die Ausstellung besuchten. Die interessantesten Ausstellungsobjekte für sie waren offenbar die bösen Feinde in höchsteigener Person. Hunderte von Augen folgten jedem Geigenstrich, hingen an jedem Bissen, den so ein armer Kriegsgefangener sich zu Gemüte führte ..." (6).

 
 

Zwei Artikel in der „Baracke" beschäftigten sich ausführlich mit dem japanischen Publikum der Ausstellung. Den Autorenkürzeln nach zu urteilen, stammen sie aus der Feder der beiden Dolmetscher Kurt Meissner und Hans Eggebrecht. Beide berichten von ihren Erlebnissen mit den japanischen Besuchern während der Ausstellung, von Fragen, die ihnen gestellt wurden und Anekdoten, die sich ereigneten. Die Artikel zeigen auch, dass manche Gefangene, wie Meissner oder Eggebrecht, sich große Kompetenzen als interkulturelle Vermittler angeeignet hatten. So erläutert z.B. Meissner mit viel Verständnis für die japanische Mentalität die Reaktion der japanischen Besucher auf das Bild eines europäischen Kriegers, der sich mit einem Kuss verabschiedet: „Uns [Deutschen] erscheint es seltsam, daß über dieses Bild fast alle Japaner lachten. Aber für den Japaner ist unser Kuß nichts als eine unpassende Zurschaustellung sinnlicher Liebe. Er selbst ist kein Verächter dieser Liebe, aber er schätzt sie nur unter vier Augen. Wenn der Japaner in den Krieg zieht, macht sie eine Verbeugung, und er nickt kaum mit dem Kopfe, und doch lieben beide sich vielleicht nicht weniger als das deutsche Paar." (7)

 

Es waren wohl die „einfachen Gegenstände, die aus sonst nutzlosen Sachen wie Staniolpapier, Flaschenverschlüsse, Zigarettenpapier gemacht waren." (8), die die Japaner am meisten beeindruckten. In dieser Sparsamkeit sahen sie weniger die widrigen Umstände der Kriegsgefangenschaft. In ihren Augen waren die „Deutschen ... [vielmehr] ein wirtschaftlich denkendes Volk" (9). Diese Ansicht wurde auch in einem Zeitungsartikel vertreten, der zur Eröffnung der Ausstellung in der Asahi Shinbun erschienen war und dessen Übersetzung im T.T.B. abgedruckt wurde. In diesem Artikel wird auch die Ausmalung des Kōkaidō und die Laubdekoration erwähnt, wodurch das Gebäude „vollkommen umgebaut" (10) sei.

Der Wert der Ausstellung für die Verständigung zwischen den damals verfeindeten Nationen Japan und Deutschland war den Gefangenen sehr wohl bewusst. Meissner schreibt: „So war den Japanern in unserer Ausstellung vieles fremdartig. Sie wurden, um die ungeheure Anzahl in den engen Räumen zu bewältigen, förmlich durchgehetzt, ohne alles gesehen zu haben. Aber doch glaube ich, daß das Wort ‚deutsch’ heute in ihren Ohren anders klingt als vorher." (11) Der Berichterstatter in der „Baracke" zieht ebenfalls stolz das positive Fazit: „Eins aber erfüllt uns mit besonderer Freude: Tausende von Bewohnern des Landes, das uns gefangen hält, haben die Werke deutscher Kriegsgefangener mit eigenen Augen bewundert, Hundertausende hören davon durch mündliche Berichte und durch die Zeitungen. Ihnen allen, denen seit Kriegsbeginn immer und immer wieder neu das Lügenbild des deutschen Barbaren gezeigt worden ist, ihnen konnten wir mit unserer Ausstellung ein Stück echt deutschen Wesens vor Augen führen." (12)

 
 
 

Die Ausstellung aus Bandō wurde in kleinerem Rahmen nochmals als „deutsche Ecke" auf der Provinzial-Ausstellung in Tokushima vom 12.-21. Mai 1918 gezeigt (13). Mitten in die Vorbereitungen für diese Ausstellung platzte der Befehl, die Gegenstände kurzfristig am 2. Mai 1918 für eine Besichtigung durch Prinz Higashikuni no Miya, Mitglied einer Zweigfamilie des Kaiserhauses, bereitzustellen. Ein Artikel in der „Baracke" (für den Volltext siehe „Sonderausstellung in Muya") berichtet ausführlich über das Ereignis. Der Prinz, „der sich auf einer Reise durch Shikoku in Tokushima befand, hatte dort von dem Garnisonskommandanten so viel von ... [der] Ausstellung gehört, daß er den Wunsch äußerte, einen möglichst großen Teil der Gegenstände am nächsten Tage in Muya vorzufinden." (14)Eine „schwer bepackte Karawane" (15) von Kriegsgefangenen machte sich also in aller Eile auf, die Ausstellung in dem Haus eines Bürgers in Muya, in dem der Prinz übernachten würde, aufzubauen.

Auch diese „Sonderausstellung" (16) war ein Erfolg. Der Prinz beschäftigte sich 1 1/2 Stunden mit den Gegenständen. Angesichts „der Arbeiten aus ‚Golden Bat’ [Zigarettenmarke] Staniol äußerte [er], daß sich daran die Fähigkeit der Deutschen zeige, sparsam zu wirtschaften und sich alle Hilfsquellen dienstbar zu machen." (17) Der Prinz erwarb vier der Gegenstände: Zwei Bildnisse des deutschen Kaisers und Hindenburgs in Holzbrand gearbeitet, das Modell eines Ankers und ein Rauchzeug (18). Die Aktivitäten der Kriegsgefangenen hinterließen bis in höchste Kreise Spuren.

 

(1) T.T.B. Bd. 2 eingebunden vor dem 1. November 1917: Eigentlich T.T.B. Bd. 3, vermutlich 15. März 1918, S. 3
(2) Die Baracke Bd. 1, No. 25, 17. März 1918, S. 39-40=579-580
(3) Die Baracke Bd. 1, No. 25, 17. März 1918, S. 40 = 580
(4) Die Baracke Bd. 1, No. 25, 17. März 1918, S. 37-38=577-578
(5) Die Baracke Bd. 1, No. 25, 17. März 1918, S. 39=579
(6) Die Baracke Bd. 1, No. 25, 17. März 1918, S. 39=579
(7) Die Baracke Bd. 2, No. 1 (27), 31. März 1918, S. 12
(8) Die Baracke Bd. 2, No. 1 (27), 31. März 1918, S. 10
(9) Die Baracke Bd. 2, No. 1 (27), 31. März 1918, S. 10
(10) T.T.B. Bd. 2, nach 30. Oktober 1917 eingebunden: vermutlich: T.T.B. Bd. 3, 13. März 1918
(11) Die Baracke Bd. 2, No. 1 (27), 31. März 1918, S. 12
(12) Die Baracke Bd. 1, No. 25, 17. März 1918, S. 42=582
(13) T.T.B. Bd. 3, 13. April 1918, S. [4]
(14) Die Baracke Bd. 2, No. 7 (33), 12. Mai 1918, S. 184
(15) Die Baracke Bd. 2, No. 7 (33), 12. Mai 1918, S. 184
(16) Die Baracke Bd. 2, No. 7 (33), 12. Mai 1918, S. 183
(17) Die Baracke Bd. 2, No. 7 (33), 12. Mai 1918, S. 186
(18) Die Baracke Bd. 2, No. 7 (33), 12. Mai 1918, S. 186