Austausch zwischen Deutschen und Japanern

Brückenbau

 
 
Holzbrücke und „Brillenbrücke"Steinbrücke

Die Gefangenen machten sich nützlich, in dem sie in der Umgebung des Lagers mehrere Brücken aus Holz und Stein errichteten sowie Wege ausbauten (1). Die japanische Bevölkerung zeigte reges Interesse für die Bauarbeiten. Umgekehrt schätzten die Gefangenen die Möglichkeit sich außerhalb des Lagers zu bewegen und private Erkundungen zu unternehmen zumal die Bewachung im Laufe der Zeit immer großzügiger wurde. Zunächst hofften die Lagerinsassen sich mit ihrer Arbeit ein Taschengeld verdienen zu können, welches aus Spenden der japanischen Anwohner bestritten werden sollte. Obwohl die Spenden nur sehr gering ausfielen und schließlich ganz ausblieben, hatten die Brückenbauer inzwischen so viel Spaß an ihrer Betätigung gefunden, dass sie auch ohne Bezahlung ihr Werk fortsetzten. Dies lag nicht zuletzt an den „kleinen zur Arbeit gehörenden Spaziergängen, ... [bei denen man] das Land und die Leute" (2) kennen lernen konnte.

Die erste Brücke aus Holz über den Fluss Haraigawa sollte eine Alternative zu einem Steindammweg werden, der immer wieder vom Wasser weggespült wurde. Wie nützlich und notwendig die Arbeit der Gefangenen auch für die japanischen Anwohner war, zeigte sich noch während des Baus. Als der Dammweg wieder einmal vom Fluss zerstört worden war, „standen morgens etwa zwanzig Personen beiderlei Geschlechts nebst einigen Rikschas an der unfertigen Brücke, bereit diese zu benutzen. Obwohl der Knüppelbelag noch vollständig fehlte, schien ihnen dies nicht außer dem Bereich der Möglichkeit zu liegen; sie harrten geduldig aus und ihr Ausharren wurde belohnt. Nach etwa einer Stunde angestrengter Arbeit waren die Knüppel für die Fahrbahn aufgelegt und zum Teil auch festgenagelt. Der Verkehr konnte notgedrungen eröffnet werden. Das männliche Geschlecht half sich selbst hinüber, den anwesenden Damen aber griffen die jungen Pioniere liebevoll und kräftig unter die Arme. Auf der Brücke ist keine von ihnen gefallen, doch scheint es nicht ausgeschlossen, daß das auf den schlüpfrigen Pfaden des Oasa-Waldes später noch passierte." (3) Die fertige Brücke war 15 m lang und 1,40 m breit. Davor und dahinter bauten die Gefangenen noch Wege, die zur Brücke hinführten. Diese Brücke ist heute nicht mehr vorhanden.

 

Ansicht einer der "Brillenbrücken" heute (2005). Foto Ursula Flache

Nachdem die Brückenbauer erst einmal auf den Geschmack gekommen waren, legten sie rund um den Oasa Jinja (in den Lagerpublikationen als „Oasa Tempel" bezeichnet) weitere Wege, Steindämme, Rampen, zwei Steintreppen, fünf kleine Holzbrücken und drei kleine gewölbte Steinbrücken an. Eine dieser kleinen Steinbrücken, eine so genannte „megane bashi" („Brillenbrücke"), ist heute noch erhalten.

 
 

Als letztes Werk nahmen die Brückenbauer eine Steinbrücke mit Trockenmauerwerk in Angriff, die ebenfalls hinter dem Oasa Jinja gelegen über eine kleine Schlucht führen sollte. „Die japanische Bevölkerung nahm auch am Entstehen dieser Brücke regen Anteil. Außer den alten Weibern, die täglich im Oasa-Tempel unter anderem auch für baldige Heimreise der Kriegsgefangenen beten, erschienen viele Bewohner der Umgegend, um den Bau zu bewundern. Und als am 27. Juni [1919] der Schlußstein des Bogens eingefügt wurde, erschien auch die bei den Brückenbauern so beliebte und begehrte ‚schöne Müllerin’. Bei der schnell improvisierten kleinen Feier (nicht etwa wegen der Müllerin) schwang der alte wacklige Oberpriester zu aller Verwunderung den schweren Steinhammer mit erstaunlicher Kraft dreimal auf den Schlußstein, wobei er den Wunsch aussprach, die Brücke möge 10000 mal 50 Jahre bestehen. Der landesüblichen Sitte, an warmen Tagen auch warmes Bier zu trinken, brachten die Brückenbauer wenig Verständnis entgegen und so geschah das Unglaubliche, noch auf keinem Bau dagewesene: die Tempelherren mussten einen Teil des spendierten Flaschenbieres wieder nach Hause schleppen." (4) Bis jetzt wurden die guten Wünsche des Oberpriesters erhört und die Brücke ist noch erhalten. „Die Brücke hat 1,60 m Spannweite, [und] ist am Kämpfer (Beginn des Bogens) 1,70 m und im Scheitel (höchster Punkt des Bogens) 2,50 m hoch" (5). Sie ist heute bekannt unter dem Namen „Doitsu hashi" („Deutsche Brücke").

 
 

Ansicht der „Deutschen Brücke" heute (2005). Foto Ursula Flache

 

Zeitgenössische Aufnahme der „Deutschen Brücke". Foto aus Besitz des Deutschen Hauses Naruto, Negativ-Nr. 48-36

 

(1) Die Baracke Bd. 4, September 1919, S. 40-56: „Zwei Jahre Brückenbau"
(2) Die Baracke Bd. 4, September 1919, S. 47
(3) Die Baracke Bd. 4, September 1919, S. 43
(4) Die Baracke Bd. 4, September 1919, S. 52-55
(5) Die Baracke Bd. 4, September 1919, S. 51