Austausch zwischen Deutschen und Japanern

Ausflüge

 
 
Ausflüge 1917/1918„Guten Morgen! Deutscher Onkel!"Ausflüge 1919

In den Jahren 1917 und 1918 werden die Gefangenen nur vereinzelt, meist zu Anlässen wie Ostern oder Pfingsten, zu Spaziergängen unter Bewachung aus dem Lager geführt (1). Wohl als Belohnung für ihr Engagement durften auch die Aussteller nach Ende der „Ausstellung für Bildkunst und Handfertigkeit" am 23. und 24. März 1918 in zwei Gruppen Ausflüge nach Muya an die Küste unternehmen (2). In den Beschreibungen dieser Ausgänge finden sich noch keine Hinweise, dass die Deutschen größeren Kontakt mit der japanischen Bevölkerung hatten. (3). Es bleibt bei einer gelegentlichen Begrüßung und dem gegenseitigen Betrachten, wie ein Gefangener erzählt: „In den Dörfern der Ebene wurden wir wie üblich von der zusammengelaufenen Bevölkerung gehörig angestaunt, besonders unsere Renommierstücke: die Langen, die Dicken, die Bärtigen." (4)

 
 

Marschordnung beim Tagesausflug . Muttelsee, Willy. Karl Bähr. 4 1/2 Jahre hinter’m Stacheldraht. Skizzen-Sammlung. Bando: Kriegsgefangenenlager, [1919], o.S., im Besitz des Deutschen Hauses Naruto

Japanische Kinder grüßen die Ausflügler. Die Baracke Bd. 4, August 1919, S. 65

Die folgende Begebenheit ereignete sich nicht bei einem Ausflug, sondern auf einem Ausgang des Schreibers. Sie gibt einen kleinen Einblick, wie die Begegnungen zwischen den Deutschen und den japanischen Kindern wohl verlaufen sind:

„‚Ohayo!’ ‚Ohayo’ – ein gellender Ruf reißt mich aus meinen Gedanken. Nanu, schon bald 11 Uhr und noch ‚Ohayo’?! Wo sitzt denn der Schlingel? Aha, da drüben auf dem Rücken der pflügenden Frau: ein vierjähriger Kniprs, der jetzt gespannt darauf wartet, was ich wohl sagen werde. Gerade will ich der Tageszeit entsprechend ‚konnichi wa’ antworten, da schreit er: ‚Maskih, maskih!’ Wer diese zwei Worte wohl der Bando-Jugend beigebracht hat; Ohayo ist ja ganz schön, man denkt an den Staat und den Fluß Ohio in Nordamerika und behält so eine neue Vokabel. Aber eigentlich heißt Ohayo: ‚Sie sind sehr früh (aufgestanden)’, was Abends – denn die Bando-Jugend schreit es auch dann – sehr komisch wirkt, aber die Jungen meinen, die Gefangenen können sonst nichts. ‚Die Gefangenen’ ... horyo sollen die Jungen übrigens nicht mehr sagen, wenn sie über uns sprechen. Ihre Schulmeister haben ihnen vor kurzem gesagt, sie sollten ‚Doitsu-no oji-san’ ‚Deutsche Onkel’ sagen. Ich hab’s aber noch nicht gehört. ... Die Mutter ist mit ihrem Pflug schon weiter gezogen, der Junge aber auf ihrem Rücken verdreht den Hals in besorgniserregender Weise; er späht, ob der ‚Gefangene’ oder ‚deutsche Onkel’ nicht endlich antworten will. Plötzlich brüllt er aus Leibeskräften ‚Gu – ten—Ta—g!’ ‚Guten Tag!’ Ich antworte nicht weniger laut, der Junge strahlt, er erzählt über die mütterliche Schulter hinüber ihr seinen Erfolg – Einen Knirps von vier Jahren glücklich gemacht! – Angehöriger feindlicher Nation? – Ach was!" (5)

 

Als nach Kriegsende die Regelungen gelockert werden, finden im Laufe des Jahres 1919 meist mehrere Ausflüge pro Monat statt. Wie man zwei Artikeln in der „Baracke" entnehmen kann, ist das Verhältnis zwischen Deutschen und Japanern inzwischen sehr freundschaftlich geworden. Die Beschreibung des Himmelfahrtsausfluges nach Kushiki (in den Lagerpublikationen: Kushigi) lässt die Volksfeststimmung, die am Halteplatz am Strand herrschte, wiederauferstehen: „Sauber gekleidete Schüler und Schülerinnen bildeten Spalier, als die Kriegsgefangenen in zwei Zügen von zwei verschiedenen Seiten mit Musik anrückten." (6). Kinder und erwachsene Japaner mischten sich unter die Gefangenen. Die Deutschen kauften bei den japanischen Händlern ein, die ihre Verkaufsstände aufgebaut hatten. Die Kinder freuten sich über die deutschen Sportspiele, wie Dreibeinlaufen oder Topfschlagen, aber auch ältere Japaner wollten sich nichts entgehen lassen und kletterten für eine bessere Aussicht auf Bäume. Die Kinder erbettelten von den Gefangenen Brot.

 

Frühstück beim Ausflug. Muttelsee, Willy. Karl Bähr. Nachtrag zu 4 1/2 Jahre hinterm Stacheldraht. Bando: Kriegsgefangenenlager, 1919, o.S., im Besitz des Deutschen Hauses Naruto

 
 

"Strandkonzert". Muttelsee, Willy. Karl Bähr. Nachtrag zu 4 1/2 Jahre hinterm Stacheldraht. Bando: Kriegsgefangenenlager, 1919, o.S., im Besitz des Deutschen Hauses Naruto

Ein „Ableger der Geba lockte zahlreiche deutsche und japanische Käufer an" (7). Die Kantinen verkauften Semmeln und Würstchen. Auch die Japaner probierten vom Kaffee, den Kuchen und den Würstchen. Die Musikkapellen fanden sich in den japanischen Gästen einer „andächtigen Zuhörerschaft" gegenüber (8). Manchen Gefangenen war die Neugierde der Japaner zwar auch lästig, so heißt es, und zwar denjenigen, die „gern einmal einen kleinen Augenblick mit sich allein sein wollten" (9), was angesichts der Enge im Lager vielleicht auch verständlich ist. Zur Völkerverständigung trug die Begegnung dennoch bei: „Angesichts der allgemeinen Teilnahme der Bevölkerung für uns gab mir [dem Artikelschreiber] mein Freund Schorsch einen derben Rippenstoß und meinte im Brustton der Überzeugung: ‚Du, die haben den Krieg auch nicht gewollt.’" (10).

 
 

Eine weitere Ausflugsbeschreibung nach Kushiki vom August 1919 skizziert ebenso das gute Verhältnis zwischen Gefangenen und einheimischer Bevölkerung sowie ihre gemeinsamen Unternehmungen am Strand (11). Es heißt: „Überall tönt uns [den Gefangenen] das ‚Guten Morgen’ der Dorfjugend entgegen. Einige ganz Gelehrsame, die ihren deutschen Sprachschatz schon erweitert haben, rufen uns ‚Lebewohl’ zu, ein Gruß, der, wenn er auch bei unserer Ankunft nicht ganz passend ist, doch gern gehört wird, weil er in der japanischen Aussprache an ‚Leberwurst’ erinnert." (12) Am Strand kochten die Gefangenen Fische, die sie bei den einheimischen Händlern gekauft hatten. Japanische Hausfrauen schauten beim Kochen zu, „die wahrscheinlich hoff[t]en, ein neues Rezept zu ergattern." (13) Und man teilte sich sogar die Arbeit: die von den Japanern ausgelegten Fischernetze wurden gemeinsam von Einheimischen und Deutschen mit Hilfe einer Winde eingeholt.

 
 
 

"Am Kushigi Strande". Muttelsee, Willy. Karl Bähr. Nachtrag zu 4 1/2 Jahre hinterm Stacheldraht. Bando: Kriegsgefangenenlager, 1919, o.S., im Besitz des Deutschen Hauses Naruto

 

(1) Die Baracke Bd. 1, No. 10, 2. Dezember 1917, S. 3, 6, 8; Die Baracke Bd. 2, No. 3 (29), 14. April 1918, S. 84; Die Baracke Bd. 2, No. 12 (38), 16. Juni 1918, S. 333
(2) Die Baracke Bd. 2, No. 3 (29), 14. April 1918, S. 84
(3) Die Baracke Bd. 1, No. 16, 13. Januar 1918, S. 2-7; Die Baracke Bd. 2, No. 8 (34), Pfingstsonntag 1918,S. 207-212; Die Baracke Bd. 3, No. 4 (57) 27. Oktober 1918, S. 84-88
(4) Die Baracke Bd. 3, No. 4 (57) 27. Oktober 1918, S. 87
(5) Die Baracke Bd. 2, No. 7 (33), 12. Mai 1918, S. 179-181
(6) Die Baracke Bd. 4, Juni 1919, S. 102
(7) Die Baracke Bd. 4, Juni 1919, S. 102
(8) Die Baracke Bd. 4, Juni 1919, S. 103
(9) Die Baracke Bd. 4, Juni 1919, S. 103
(10) Die Baracke Bd. 4, Juni 1919, S. 103
(11) Die Baracke Bd. 4, August 1919, S. 60-69
(12) Die Baracke Bd. 4, August 1919, S. 65
(13) Die Baracke Bd. 4, August 1919, S. 67