Ausstellung für Bildkunst und Handfertigkeit in Zitaten
[Rundgang durch die Ausstellung]
Durch einen kleinen Triumphbogen betritt man das Gelände der deutschen Ausstellung. Aber noch fühlen wir uns fremd, dann das Bild, das wir vor uns sehen, wird beherrscht von dem schönen Reisanji-Tempel im Hintergrund, dessen fremdartige Formen unser Auge fesseln, uns aber auch daran erinnern, wie fern wir von der Heimat. Erst wenn wir den ersten Verkaufsstand passiert haben, an dem deutsch und japanische Kataloge zu haben sind, sowie die hübschen Ausstellungs-Postkarten der Lagerdruckerei und der neuen Steindruckerei, und wenn wir dann rechts abbiegen, dann vergessen wir unsere wahre Umgebung, und wir vermeinen ein Stück deutschen Bodens zu betreten. Ein Portal in den deutschen Farben nimmt uns auf und im Inneren des Ausstellungssaals grüßt vom Eingang herab die mächtige Reitergestalt eines Deutsch-Ordensritters mit der Inschrift: ‚Hie gut Deutschland alleweg!’
Der erste Eindruck, den der Besucher beim Betreten der Ausstellung empfängt, ist der einer außerordentlichen Vielseitigkeit. Auf den ersten Blick sieht hier jeder etwas, was seinem besonderen Interesse und seinem besonderem Geschmack entspricht. Der Kunstliebhaber steuert gleich auf die große Fensterwand zu, und sein Auge kann dort Stunden in Öl-, Wasserfarben, Tusche, Kohle oder Kreide schwelgen. Die Musikfreunde und die es noch werden wollen (ohne damit den Teufel an die Wand zu malen), werden sich in der anschließenden rechten Saalecke zusammenfinden, um dort das Instrument auszusuchen, mit dem sie ihre etwa noch schlummernden Talente erwecken wollen. Der Mann der Wissenschaft braucht nur an den Mitteltisch heranzutreten und sich dann rechts zu halten, und er kann dort die interessantesten Vorträge über Chemie, Physik, Botanik, Ornithologie, Meteorologie usw. in mehreren Sprachen hören. Nach rechts wird sich auch der Kunstgewerbler wenden, angelockt durch einige von der Decke herabhängende Prachtexemplare. Man könnte hieraus entnehmen, daß die Veranstalter den Schwerpunkt der Ausstellung in die erste Saalhälfte gelegt hätten, aber dem scheint keineswegs so zu sein; denn gerade die beiden linken Saalecken weisen dauernd den größten Andrang auf: da locken die in des Wortes doppelter Bedeutung geschmackvollen Werke unserer Lagerbäckerei Geba, da läuft einem beim Anblick der glücklicherweise hinter Glas befindlichen Leistungen unserer Lagertraiteure das Wasser im Munde zusammen, und man müsste kein dreieinhalbjähriger Kriegsgefangener sein, wenn man nicht längere Zeit in der Spezialausstellung schöner, durchschnittlich mit einem Hemd bekleideter Frauengestalten verweilte, um – nun, um philosophische Betrachtungen über die Häßlichkeit des Lebens anzustellen. Wie zum Hohn rufen uns die lächelnden Henzeschen Frauen das Wort ‚Außer Konkurrenz’ zu, und man erkennt die weise Voraussicht der Veranstalter, die all diese Ausstellungsobjekte auf die linke, dem Vergnügungspark näher gelegene Saalhälfte verwiesen, damit man schnell durch einen kühlenden Trunk oder durch eifrige Betätigung am ‚Lukas’ das innere Gleichgewicht wiederherstellen kann. Wer aber auf dem Weg zum Vergnügungspark noch einen Blick in die Nebenräume zu werfen vermag, der erkennt, daß es auch dort noch vielerlei zu schauen gibt: im ersten Raum werden wir daran erinnert, daß wir im Jahrhundert des Kindes leben, im zweiten verraten die Jünger Thalias Garderobengeheimnisse, und im dritten geben sich Architekten und Ingenieure, Schiffs-, Brücken- und Festungsbaumeister ein Stelldichein.
|