Rundgang durch das Lager Bandō

9. Kantine

 
 

Im „Fremdenführer durch das Kriegsgefangenenlager Bando, Japan" steht zur Kantine: „Verkauf von Lebensmitteln, Gebrauchsgegenständen, Tabak, Schreibwaren, Bier, Wein, Mineralwasser usw. Ausschank von Fassbier. Geöffnet: Wochentags v. 10.30 – 11.30 vorm. 1.30 – 4 nachm. Leiter: Uoffz. d. L. Drögkamp" (1).

 
 
 

Große Nachfrage fanden in der Kantine die alkoholischen Getränke und Tabakwaren, wie die Grafik „Kantinen-Umsatz Juni 1917 bis März 1918“ in der „Baracke" (2) zeigt:
Totalsumme Yen 96.917,39
Alkoholische Getränke 53.676,52
Tabak 15.235,45
Konserven 7.784,47
Gewebe 5.379,66
Schreibwaren 3.698,96
Obst 3.219,92
Alkoholfreie Getränke 2.155,66
Kuchen 1.813,01
Seifen, Haarwasser u.a. 1.745,38
Zucker 1.298,60
Eier, Nüsse 909,28


 
 

„Börsenzeit" in der Kantine. Muttelsee, Willy. Karl Bähr. 4 1/2 Jahre hinter’m Stacheldraht. Skizzen-Sammlung. Bando: Kriegsgefangenenlager, [1919], o.S., im Besitz des Deutschen Hauses Naruto

„Anata! Tak’san Bieru!" - Du da! Zuviel Bier! . Muttelsee, Willy. Karl Bähr. 4 1/2 Jahre hinter’m Stacheldraht. Skizzen-Sammlung. Bando: Kriegsgefangenenlager, [1919], o.S., im Besitz des Deutschen Hauses Naruto

Der Lagerleiter, Oberst Matsue, hatte gegen den Bierkonsum nichts einzuwenden. Von ihm soll sogar der Ausspruch stammen: „Ich bin der Meinung, besser hundert Betrunkene als fünf Psychotiker!" (3)
Für zuviel Biergenuss zur falschen Zeit konnte man jedoch mit Arrest bestraft werden.

 

In der Kantine. Taishō san yo nen sen’eki. Furyo shashinchō. Vues photographiques concernans les prisonniers de guerre au Japon (Campagne de 1914-1916). Tōkyō: Furyo Jōhōkyoku, Bureau Impérial de Renseignements sur les Prisonniers de Guerre, 1918. Foto aus Besitz des Deutschen Hauses Naruto, Negativ-Nr. 31-9

In der „Baracke" findet sich eine Beschreibung der Kantine, aus der man einiges über das begrenzte Angebot des Hauses und das Einkaufsverhalten der Gefangenen erfährt:
„Das große Gebäude rechts der Straße ist unser Warenhaus, der Volksmund nennt es Kantine. Es unterscheidet sich in vielen Beziehungen von derartigen Instituten in anderen Städten.

  1. Wenn man etwas kaufen will, wird man nicht von einem Stockwerk ins andere gejagt, sondern von einem Flügel zum andern. Dabei kommt man jedes Mal durch den Erfrischungsraum, wo es immer sehr fidel zugeht. Um das immerwährende Hin- und Herlaufen zu vermeiden, gehen die meisten Kunden gleich in den Erfrischungsraum. Wenn sie hier vergessen ihre Konserven einzukaufen, so haben sie nur Vorteil: sie behalten das Geld für ‚Erfrischungen’.
  2. Gewöhnlich sind die Waren, die man kaufen möchte, gerade nicht da. Vorteil: man spart das Geld für ‚Erfrischungen’.
  3. Viele Waren werden überhaupt nicht geführt, sondern müssen besonders bestellt werden. Das dauert aber so lange, daß man sie gewöhnlich nicht mehr braucht, wenn sie eintreffen. Der kluge Käufer bestellt also nicht, sondern spart sein Geld für ‚Erfrischungen.’
  4. Wenn die Waren dem Publikum zu teuer sind, dann streiken die Verkäufer und die Käufer behalten ihr Geld für ‚Erfrischungen.’"(4)

 

Einige Waren müssen aber doch in der Kantine erhältlich gewesen sein, denn eine andere Passage in der „Baracke" beschreibt: „Da kommen Leute mit Tüten in den Händen, mit verdächtigen Flaschen unterm Arm, beladen mit allem Möglichen, was es in der Kantine zu kaufen gibt. Einer hat so viel Mandarinen  erstanden, daß zwei Arme und Hände kaum ausreichen, die erhaltenen Früchte an den Leib zu pressen und ohne Unfall heimzubringen. Ein Pinsel schleppt eine Kiste voll Bierflaschen auf der Schulter und schmunzelt dabei über das ganze Gesicht." (5)

 
 

(1) Fremdenführer durch das Kriegsgefangenenlager Bando, Japan, 1918, S. 10
(2) Die Baracke Bd. 2, No. 6 (32), 5. Mai 1918, S. 164
(3) Nakamura, Akihiko. Widergespiegelte Heimatwelten. Berge und Flüsse. Naruto: Deutsches Haus der Stadt Naruto, 1994, S. 56
(4) Die Baracke Bd. 1, No. 15, 6. Januar 1918, S. 8
(5) Die Baracke Bd. 1, No. 23, 3. März 1918, S. 6 = 498