Wirtschaftliche Situation und Preise
Wirtschaftliche Situation und Preise
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Es ist schwer zu sagen, wie viel Geld einem einzelnen Gefangenen tatsächlich im Monat zur Verfügung stand. Gemäß der damals geltenden Haager Landkriegsordnung von 1899 hatte die Behandlung der Kriegsgefangenen in Sachen Verpflegung oder Sold gleich mit der Behandlung der eigenen Truppen zu erfolgen. Tatsächlich wurde den gefangenen deutschen Offizieren nur ca. 40% des Solds eines japanischen Offiziers gezahlt. Davon mussten die gefangenen Offiziere auch noch die Kosten für Kleidung und Essen aus der Offizierskantine bestreiten. Im Falle der Mannschaften wurde der gesamte Sold nicht als Bargeld, sondern in Form von Kleidung, Mahlzeiten, Bettzeug etc. „ausgezahlt" (1).Über wie viel Bargeld ein Gefangener verfügen konnte, hing also von verschiedenen Faktoren ab:
- Wie waren die eigenen Vermögensverhältnisse bzw. inwiefern bestand Zugriff auf dieses Vermögen?
- Wurde weiterhin Gehalt von Seiten der Firma gezahlt, bei der der Gefangene vor dem Krieg beschäftigt gewesen war (viele der Kriegsgefangenen waren Reservisten und keine Berufssoldaten)?
- In welcher Höhe trafen Spendengelder ein und wie wurden sie verwendet?
- Erreichten Überweisungen von der Familie in Deutschland oder Asien den Gefangenen?
In einem Artikel in der „Baracke" wird sehr detailliert der Post- und Geldverkehr der Lagerinsassen im Jahr 1918 aufgeschlüsselt (2). In diesem Artikel findet sich die folgende Übersicht zu den Finanzen der Gefangenen (3):
Jahreseinnahmen [aus Überweisungen und Spenden] |
Yen |
390.848,73 |
davon auf Postkonten gespart |
" |
37.188,43 |
nach dem Auslande geschickt |
" |
1.381,52 |
Bleiben in Japan ausgeben oder am 31.XII.18 noch bar in Händen: |
Yen |
352.278,78 |
Bei dieser Gesamtsumme kommt der Artikelschreiber auf ein durchschnittliches monatliches „Einkommen" pro Gefangenen von 28,85 Yen (4). Umgerechnet auf einen Monat mit 30 Tagen bedeutet dies, dass einem Lagerinsassen täglich eine Summe von 0,96 Yen zur Verfügung stand.
Für 0,96 Yen konnte man im Lager Bandō z.B. folgende Dinge bezahlen:
1 Stunde Billard spielen (5) |
0,30 Yen |
1 Bretzel (6) |
0,05 Yen |
1 Liter Permutit (Filterwasser), eisgekühlt mit Schuss (7) |
0,10 Yen |
1 gekochtes Ei (8) |
0,05 Yen |
1 Zahnbürste (9) |
0,45 Yen |
Anmerkung: 1871 wurde der Yen als Währung in Japan festgelegt. 1 Yen war unterteilt in 100 sen (10).
Die errechneten 28,85 Yen monatlich sind aber nur ein Durchschnittswert. Insbesondere der Unterschied zwischen Offizieren und Mannschaften war immens. Es gab Gefangene, die über wesentlich mehr Geld im Monat verfügten und andere, die dafür wesentlich weniger hatten, wie z.B. die unterschiedlichen Sammelergebnisse der Lagerkasse zeigen (siehe unten: Abschnitt zur Lagerkasse).
In den deutschen Gemeinden in Japan und China entstanden verschiedene Organisationen, die sich bemühten, die Lage der Gefangenen zu verbessern. Hier sind vor allem der Tsingtau-Unterstützungsfonds in Shanghai und der Hilfsausschuss Tokyo zu nennen (weitere Hilfsausschüsse u.a. in Kobe und Yokohama). Diese Organisationen leiteten z.B. Anträge der Gefangenen, Zugriff auf Bankguthaben zu erhalten, weiter oder vergaben bei Bedürftigkeit Darlehen, die nach Friedensschluss zurückzuzahlen waren (11). Eine tragende Rolle spielte dabei die Firma Siemens-Schuckert (12). Die Firma musste im Laufe des Krieges ihre Geschäftstätigkeit in Japan einstellen, aber die Angestellten wurden voll weiterbeschäftigt und waren ausschließlich für die Hilfstätigkeit zuständig. Die Aktivitäten von Siemens-Schuckert und die des Hilfsausschusses Tokyo sind eng miteinander verbunden. Der Ausschuss nutzte die Büroräume von Siemens-Schuckert in Tōkyō, und von dort aus wurden die deutschen Spendengelder verwaltet. Es gab eine Bankabteilung für die Abwicklung von Geldtransfers zwischen Deutschland und Japan und eine Einkaufsabteilung, die private Bestellungen von Kriegsgefangenen gegen Bezahlung entgegennahm. So konnte z.B. beim Stammhaus in Deutschland Geld eingezahlt werden und dieses wurde dann vom Büro in Tōkyō an den betreffenden Gefangenen weitergeleitet (13).
Das vom Hilfsausschuss Tokyo verwaltete Spendengeld, wie z.B. die so genannte „Spende II" war eine „Liebesgabensammlung von Privatgeldern in Deutschland" (14). Die Spender wünschten, dass die Gelder vor allem für die Verbesserung der Ernährung ausgegeben und weniger als Barbeträge ausgezahlt werden sollten. Als Verpflegungssatz pro Kopf und Monat wurden ab Februar 1918 vom Hilfsausschuss Tokyo 2 Yen angesetzt (15). Das monatliche Verpflegungsgeld des Hilfsausschusses betrug also insgesamt rund 2000 Yen für das Lager Bandō. Dabei wurden ca. 1100 Yen dem Lager direkt zur Verfügung gestellt und die restlichen 900 Yen verblieben beim Hilfsausschuss, um Einkäufe in Tōkyō zu tätigen. Über den Hilfsausschuss wurden Lebensmittel angeschafft, die von den Japanern kaum oder gar nicht gekauft wurden, wie z.B. Räucherspeck, Schmalz, Dörrobst, Hülsenfrüchte, Salzheringe, Gewürze, Makkaroni, Kaffee und Sauerkraut (16). Gemüse, Fische, Milch, Reis, Mastferkel, Holzkohlen etc. kaufte man vor Ort in Bandō (17). Von dem Verpflegungsgeld mussten jedoch auch andere Ausgaben im Lager bestritten werden, wie z.B. Zahnarztrechnungen, Beihilfen zur Krankenpflege, Reparaturkosten der Lagerbäckerei und Beleuchtungskosten für den Theater- und den Leseraum (18).
Zusätzlich zum Verpflegungsgeld für das Lager erhielten die Gefangenen aus den Spenden ein monatliches Taschengeld gestaffelt nach ihrem Rang, wobei die Höhe je nach Spendeneingang leicht schwanken konnte (19):
Deckoffiziere / Feldwebel |
2 Yen |
Unteroffiziere |
1,50 Yen |
Mannschaften |
1,30 Yen |
Ergänzt wurde das Taschengeld durch Einzelspenden. Im Februar / März 1919 vermittelte z.B. der Tsingtau-Unterstützungsfonds Gelder aus Spenden mehrerer Hilfsausschüsse in China. Der Betrag von 655 Yen wurde im Lager an 780 bedürftige Gefangene verteilt, was für jeden 0,83 Yen bedeutete. Der Restbetrag von 7,60 Yen ging an die Küchen (20).
Die Gefangenen spendeten ihrerseits von den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln an die Lagerkasse (21). Die Lagerkasse wurde am 17. Juli 1917 gegründet und war das zentrale Sammelorgan im Lager. Es wurde einmal im Monat gesammelt. Die Einnahmen kamen gemeinnützigen Zwecken zu Gute. Wie man der „Jahresabrechnung für die Zeit vom 1. Juli 1917 bis 30. Juni 1918" (22) entnehmen kann, betrug die Gesamtsumme in diesem Zeitraum 2006,92 Yen. Fast die Hälfte davon erhielt die Lagerkrankenkasse. Die andere Hälfte ging hauptsächlich als Beihilfen an das Personal der Mannschaftsküchen und der Lagerbäckerei. Wenn man von einer Belegung des Lagers mit rund 1000 Mann ausgeht, spendete also im Durchschnitt jeder Gefangene 0,17 Yen pro Monat. Tatsächlich schwankten die Spendenbeträge zwischen Offizieren und Mannschaften sowie zwischen den einzelnen Baracken erheblich. Nimmt man die Belegungsstärken aus dem „Adressbuch für das Lager Bando 1917/8" als Grundlage, so spendete ein Offizier durchschnittlich 0,49 Yen im Monat. In der „spendenfreudigen" Baracke 5 waren es 0,22 Yen. In der „ärmsten" Baracke 7 dagegen nur 0,08 Yen pro Person monatlich.
Innerhalb des Lagers Bandō waren die folgenden Preise üblich:
Produkt, Menge |
Preis 1918 |
Preis 1919 |
2 Rollmöpse (23) |
0,15 Yen |
- |
1 Bückling (24) |
0,05 Yen |
- |
1 Pfund Schweineschmalz (25) |
- |
0,55 Yen |
1 Pfund Honigkuchen / Lebkuchen / Pfeffernüsse (26) |
- |
0,95 Yen |
1 Pfund Marzipan (27) |
- |
1,60 Yen |
1 Schnecke / Bretzel / Salzstange (28) |
- |
0,05 Yen |
1 Hörnchen / Berliner / Käsestange (29) |
- |
0,06 Yen |
1 Blätterteigteilchen / Mohrenkopf / Apfelschnitte / Buttercremetörtchen (30) |
- |
0,10 Yen |
1 Stück Kranzkuchen (31) |
- |
0,50 Yen |
5 Stück Teegebäck (32) |
- |
0,10 Yen |
1 Pfund gerösteter Kaffee (33) |
- |
1 Yen |
1 Pfund Lipton-Tee in 1. Qualität (34) |
- |
1,40 Yen |
1 Pfund Cacao Ghirardelly's Imperial (35) |
- |
2,40 Yen |
1 Liter Permutit (gefiltertes Wasser) (36) |
0,02 Yen |
- |
1 Liter Permutit, eisgekühlt ohne Schuss (37) |
0,04 Yen |
- |
1 Liter Permutit, eisgekühlt mit Schuss (38) |
0,10 Yen |
- |
1 Liter Permutit, mit leicht alkoholischem Schuss (39) |
0,16 Yen |
- |
Bergamotte-Likör, große bzw. kleine Flasche (40) |
- |
2 bzw. 1,10 Yen |
1 Flasche Wacholder / Getreidekümmel (41) |
- |
1,30 Yen |
1 große Flasche Vollmilch (42) |
0,035 Yen (Januar)
0,05 Yen (Oktober) |
- |
1 gekochtes Ei (43) |
0,05 Yen |
- |
3 rohe Eier (44) |
0,13Yen |
- |
1 Portion Fruchteis (45) |
0,10 Yen |
- |
1 Portion gemischtes Eis (46) |
0,12 Yen |
- |
1 Portion Vanille-, oder Schokoladeneis (47) |
0,15 Yen |
- |
1 Portion Pudding (48) |
0,15 Yen |
- |
1 Pfund Honig (49) |
0,50 Yen |
- |
1/4 Ente in Tomaten auf Marengo Art (Kegelbahnküche) (50) |
- |
0,55 Yen |
1 weißes Oberhemd (51) |
5,40 Yen |
- |
1 wollenes Unterhemd (52) |
4,80 Yen |
- |
1 Paar wollene Strümpfe (53) |
2,10 Yen |
- |
1 mittleres Handtuch (54) |
0,58 Yen |
- |
1 großes Handtuch (55) |
2,50 Yen |
- |
1 Zahnbürste (56) |
0,45 Yen |
- |
Monatsabonnement der Zeitschrift "Die Baracke" (57) |
0,50 Yen |
- |
1 Pfingstpostkarte der Lagerdruckerei (58) |
0,02 Yen |
- |
1 Theaterkarte für "Im weißen Rössl" (59) |
0,50 bzw. 0,10 Yen (je nach Vorstellung) |
- |
Monatsbeitrag des Tennisvereins Bando (60) |
1 Yen |
- |
Monatsbeitrag des Marugame Fußball-Klubs (61) |
0,15 Yen |
- |
Zum Vergleich: In der Taishō-Zeit (1912-1926) waren in Japan folgende Preise und Gehälter üblich:
|
Preis |
Jahr |
Arbeitslohn eines Tagelöhners, auf einen Monat mit 30 Tagen hochgerechnet (62) |
21 Yen |
Taishō 6 (1917) |
Arbeitslohn eines Tagelöhners, auf einen Monat mit 30 Tagen hochgerechnet (63) |
63 Yen |
Taishō 9 (1920) |
Monatliches Einstiegsgrundgehalt eines Beamten (64) |
70 Yen |
Taishō 7 (1918) |
Monatliches Einstiegsgrundgehalt eines Beamten (65) |
75 Yen |
Taishō 15 (1926) |
10 kg Reis (Einzelhandelspreis in Tōkyō ) (66) |
1,20 Yen |
Taishō 5 (1916) |
10 kg Reis (Einzelhandelspreis in Tōkyō ) (67) |
3,86 Yen |
Taishō 8 (1919) |
1 Brot (ca. 450 g, Einzelhandelspreis) (68) |
0,14 Yen |
Taishō 7 (1918) |
10 kg Mehl (Einzelhandelspreis in Tōkyō ) (69) |
1,48 Yen |
Taishō 6 (1917) |
10 kg Mehl (Einzelhandelspreis in Tōkyō ) (70) |
1,87 Yen |
Taishō 9 (1920) |
1 Flasche Bier (Einzelhandelspreis) (71) |
0,31 Yen |
Taishō 6 (1917) |
1 Flasche Bier (Einzelhandelspreis) (72) |
0,48 Yen |
Taishō 9 (1920) |
Monatsabonnement der Zeitung „Asahi Shinbun" (73) |
1,20 Yen |
Taishō 9 (1920) |
1 Castella-Kuchen (ca. 580 g) (74) |
0,40 Yen |
Taishō 5 (1916) |
1 anpan (Gebäckstück gefüllt mit süßer roter Bohnenpaste) (75) |
0,02 Yen |
Taishō 6 (1917) |
1 Portion Eiskrem (in einem erstklassigen Eiscafé in Tōkyō) (76) |
0,20 Yen |
Taishō 10 (1921) |
1 Flasche Milch (ca. 180 ccm, Einzelhandelspreis) (77) |
0,06 Yen |
Taishō 7 (1918) |
1 Flasche Milch (ca. 180 ccm, Einzelhandelspreis) (78) |
0,08 bis 0,10 Yen |
Taishō 10 (1921) |
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