Rundgang durch das Lager Bandō
25. Revier
| Revier
| Organisation der Lagerkrankenkasse
| Finanzierung und Leistungen
| Spanische Grippe
| Lagerapotheke
Im Revier wurden die kranken Lagerinsassen durch den japanischen Lagerarzt behandelt. Schwerere Fälle wurden in das Lazarett in Tokushima überstellt. Der „Fremdenführer durch das Kriegsgefangenenlager Bando, Japan“ schreibt zum Revier: „Krankendienst täglich 9 Uhr vorm. (Signal), Sprechzimmer des jap. Zahnarztes (Dolmetscher: Pionier Werner), Sprechstunden: Montags und Donnerstags 7-12 Uhr vormittags" (1).
Im Revier. Taishō san yo nen sen’eki. Furyo shashinchō. Vues photographiques concernans les prisonniers de guerre au Japon (Campagne de 1914-1916). Tōkyō: Furyo Jōhōkyoku, Bureau Impérial de Renseignements sur les Prisonniers de Guerre, 1918. Foto aus Besitz des Deutschen Hauses Naruto, Negativ-Nr. 30-31
Im Lager Bandō existierten außerdem eine Lagerkrankenkasse und zwei Lagerapotheken, die die Gefangenen in Eigenregie organisierten. Über die Tätigkeiten dieser Einrichtungen informieren sehr ausführlich die beiden Jahresberichte der Krankenkasse für 1917 und 1918, die in der „Baracke2 veröffentlicht wurden (2). Der Jahresbericht für 1919 zirkulierte im Lager, wurde aber nicht mehr abgedruckt. Bereits im Lager Marugame, welches mit den Lagern Matsuyama und Tokushima zum Lager Bandō vereinigt wurde, existierte eine Lagerkrankenkasse. Bald nach der Ankunft in Bandō wurde am 20. April 1917 eine neue Krankenkasse für das gesamte Lager eingerichtet. Jeder im Lager vertretene Truppenteil wählte ein bis zwei Vertrauensleute. Diese insgesamt 12 (1917) bzw. 14 (1918) Vertrauensleute waren zuständig für den Kontakt zur Lagerleitung, den Briefwechsel mit den auswärtigen Hilfsorganisationen, die Kassenführung, die Krankenfürsorge, die Proviantverwaltung und die Meldung über Krankheitsfälle in den einzelnen Truppenteilen. Da der Geschäftsverkehr der Vertrauensleute in den Baracken immer mehr zunahm und so zu einer Belastung für die Mitbewohner wurde, richtete man ab 22. Januar 1919 ein eigenes Büro der Krankenkasse oberhalb des Reviers ein (ab Juli 1919 unterhalb des Reviers in der Bude, die vormals Holstein gehörte), welches von 9-11 Uhr geöffnet war.
Vermutlich in der Krankenstation Bandō. Foto aus Besitz des Deutschen Hauses Naruto, Negativ-Nr. 59-06
Vermutlich in der Krankenstation Bandō. Foto aus Besitz des Deutschen Hauses Naruto, Negativ-Nr. 49-31
Die Krankenkasse finanzierte sich vornehmlich aus Spenden der Lagerinsassen. Es wurde monatlich gesammelt und jeder gab so viel er eben entbehren konnte. Außer den regelmäßigen Sammlungen erhielt die Krankenkasse auch einzelne Stiftungen von innerhalb des Lagers, wie z.B. aus den Einnahmen der Kegelbahn und von außerhalb, wie z.B. vom Hilfsfonds Shanghai. Neben Geldspenden kamen auch Sach- und Kleiderspenden der Krankenkasse zugute. So schickte z.B. die Bäckerei Fiedler in Shanghai 37 Kisten Zwieback und Kuchen (3). Die Grundidee der Krankenkasse war es „allen unbemittelten hilfsbedürftigen Kranken des Lagers Unterstützung und Erleichterungen in Form von geeigneter Krankenkost, stärkenden Arzneien und anderen Hilfsmitteln, die von den Japanern nicht geliefert werden, zu verschaffen, überhaupt den Kranken Kameraden in jeder Weise zur Seite zu stehen, um ihr Los zu erleichtern und ihre Genesung zu fördern." (4) Neben der Hauptaufgabe der Krankenversorgung engagierte sich die Krankenkasse auf vielfältige Weise für das Wohl der Lagerinsassen, wie man den zahlreichen Annoncen im T.T.B. entnehmen kann. Im T.T.B. wird öfters nach leichtem Lesestoff für die Patienten gesucht (5), man bittet um Briefe oder Besuche für die Bettlägerigen (6), als das von Wanzen verseuchte Gepäck der aus Kurume verlegten Gefangenen eintrifft, wird eine Desinfektionsaktion organisiert (7), als verstärkt Haarkrankheiten auftreten, werden regelmäßig die Bürsten der Barbiere desinfiziert (8) und als die Entlassung näher rückt, veranstaltet man sogar für die nach Holländisch-Indien Gehenden einen Informationsabend über "Verhütung von Krankheiten" (9).
Untersuchung im Revier. Muttelsee, Willy. Karl Bähr. 4 1/2 Jahre hinter’m Stacheldraht. Skizzen-Sammlung. Bando: Kriegsgefangenenlager, [1919], o.S., im Besitz des Deutschen Hauses Naruto
Die Krankenkasse bewährte sich sehr im November 1918 als die weltweit grassierende Spanische Grippe auch das Lager Bandō erreichte (10). Insgesamt erkrankten rund 70 % der Lagerinsassen mehr oder weniger schwer. Am Höhepunkt der Grippewelle waren 324 Gefangene krank gemeldet. Da die Betten im Revier nicht mehr ausreichten, wurde auch die Baracke 1 und der Kristall-Palast unter seinem alten Namen „Sanitas“ als Krankenstationen genutzt. Leichter Erkrankte wurden in den Baracken versorgt. Als der japanische Lagerarzt ebenfalls ausfiel und längere Zeit kein Ersatz gefunden werden konnte, setzte die Lagerleitung den fachkundigen Kriegsgefangenen Clauß als Leiter des Reviers ein. Überhaupt unterstützte Oberst Matsue, der der Krankenkasse sehr wohlwollend gegenüberstand, diese auch bei der Grippeepidemie in vollem Umfang. Als dem Händler vor Ort das Eis ausging, lies er z.B. sofort einen Boten per Fahrrad neues Eis in Muya beschaffen. Auch Besorgungsgänge für Fieberthermometer oder Handtücher wurden anstandslos genehmigt (11). Die Krankenkasse richtete ein Auskunftsbüro ein, welches den Fürsorgedienst koordinierte. Stärkungsmittel wurden verabreicht und vorbeugendes Gurgeln war für alle Lagerinsassen Pflicht. Um Rückfälle zu vermeiden, wurde jegliche sportliche Aktivität zunächst verboten. Erst am 1. Januar 1919 wurden die Sportplätze wieder freigegeben. Faustball und Torschießen waren bereits ab 25. Dezember 1918 wieder erlaubt (12). Die Maßnahmen scheinen erfolgreich gewesen zu sein. Es waren in Bandō bei über 1000 Mann Belegung nur drei Todesfälle in Folge der Grippe zu beklagen. Zum Vergleich: im Lager Nagoya war es bei einer Belegung von rund 600 Mann die doppelte Anzahl an Toten.
Da das Revier bei kleineren Verletzungen oder leichtem Unwohlsein zu langsam arbeitete, sah sich die Krankenkasse sehr bald veranlasst, zwei Lagerapotheken zu gründen, in denen die Lagerinsassen sofort behandelt wurden. Die beiden Apotheken wurden am 5. Juli 1917 eingerichtet und von den fachkundigen Gefangenen Clauß und Heil geleitet. Von den Lagerinsassen wurden die beiden Einrichtungen dankbar angenommen. 1918 suchten z.B. im Durchschnitt 16 Gefangene pro Tag dort Hilfe. Den Jahresberichten der Krankenkasse kann man folgende Tätigkeitsstatistik der beiden Apotheken entnehmen (13):
Zeitraum |
Verbände angelegt |
Sonstige Wunden behandelt
|
Kleine Arzneien gegen Kopfweh, Erkältung etc. ausgegeben |
Abführmittel ausgegeben |
Kräftigungsmittel ausgegeben (Flaschenanzahl) |
Fälle insgesamt |
01.08.-31.12.1917 |
1938 |
873 |
856 |
267 |
92 |
4594 |
01.01.-31.12.1918 |
5130 |
2169 |
2492 |
- |
222 |
11894 |
Gesundheitsprüfung im Revier bzw. „Umsatzkontrolle". Muttelsee, Willy. Karl Bähr. 4 1/2 Jahre hinter’m Stacheldraht. Skizzen-Sammlung. Bando: Kriegsgefangenenlager, [1919], o.S., im Besitz des Deutschen Hauses Naruto
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