Rundgang durch das Lager Bandō

27. Lagerdruckerei und Buchbinderei

 
 
Entstehung und ProdukteDruck- bzw. Vervielfältigungsverfahren

Der Artikel zum einjährigen Bestehen der Druckerei gibt einen guten Überblick über deren Entwicklung (1). Zunächst hatte die Druckerei kein eigenes Gebäude, sondern es wurde ein unbewohnter Feldwebelraum in Baracke 1 provisorisch benutzt. Die Verantwortlichen für die Lagerzeitungen aus den Vorläufer-Lagern Matsuyama und Tokushima taten sich in Bandō zusammen und nahmen zunächst die Bekanntmachung der täglichen Kriegsnachrichten in Angriff. So entstand der „Tägliche Telegrammdienst Bando" (zunächst abgekürzt T.T.D., später dann T.T.B.), dessen 1. Ausgabe am 18. April 1917 erschien. Für den T.T.B. übersetzten täglich drei Gefangene die neuesten Nachrichten aus den japanischen Zeitungen, ein vierter ordnete sie und übertrug sie auf den Druckbogen. Danach wurden die Blätter vervielfältigt und an die Abonnenten ausgegeben. Im Mai 1917 zog die Druckerei in ein eigenes, kleines Gebäude neben der Bücherei ein, welches bald um einen Vorbau erweitert werden musste, um den ständig steigenden Anforderungen und dem zunehmenden Kundenverkehr gerecht zu werden. Ab August 1917 erschien der „Nachrichtendienst“, der „in zwangloser Folge interessante Nachrichten aus den verschiedensten Zeitungen als nachträgliche Ergänzung zu den täglichen Telegrammen" (2) brachte. Ende September 1917 kam die Lagerzeitung „Die Baracke" erstmals heraus. Die regelmäßige Arbeit an diesen drei Zeitschriften bildete die Hauptbeschäftigung der Druckerei. Dazu kamen der Druck von Postkarten, Theater- und Konzertprogrammen, Landkarten, Vortragstexten, Reklamedrucken und Flaschenetiketten. Einen Eindruck vom Ausmaß der Drucktätigkeit erhält man, wenn man betrachtet, dass die Druckerei bis April 1919 rund 90 Programme zu Theater-, Konzert- und sonstigen Veranstaltungen in einer Gesamtauflage von über 25.000 Stück hergestellt hatte (3). Schließlich wurden auch ganze Bücher gedruckt, wie z.B. „Drei Märchen" von E. Behr (4), welches sich sehr gut verkaufte. Nachdem die 1. Auflage mit 400 Exemplaren vergriffen war, folgte eine 2. Auflage mit 1150 Exemplaren. Einen Überblick über die Verlagsprodukte der Lagerdruckerei gibt die folgende Annonce:

 
 
 

Das Druckereigebäude von außen. Foto aus Besitz des Deutschen Hauses Naruto, Negativ-Nr. 54-1

In der Druckerei. Fotos aus Besitz des Deutschen Hauses Naruto, Negativ-Nr. 53-36

 
 

In der Druckerei . Fotos aus Besitz des Deutschen Hauses Naruto, Negativ-Nr. 54-7

In der Druckerei. Fotos aus Besitz des Deutschen Hauses Naruto, Negativ-Nr. 54-5

 

Neben der eigentlichen Druckarbeit nahm die Lagerdruckerei außerdem Buchbindearbeiten jeglicher Art an. Bei Abschluss eines Jahrgangs der „Baracke" hatten die Bezieher z.B. die Möglichkeit für 60-70 sen die Hefte binden und mit einem Stoffeinband versehen zu lassen.

 

 
 
 
 
 

In der Druckerei. Fotos aus Besitz des Deutschen Hauses Naruto, Negativ-Nr. 54-3

 
 

Im Laufe der Zeit entwickelte sich der T.T.B. zu einer Art „Bandoer Amtsblatt" (5), in dem außer Kriegsnachrichten auch Mitteilungen der Lagerältesten sowie Annoncen, Angebote und Gesuche der Lagerinsassen abgedruckt wurden. Der T.T.B. wurde zum zentralen Nachrichtenorgan des Lagers mit 200 festen Abonnenten. Zusätzlich wurden elf Exemplare für die Allgemeinheit in den Baracken ausgehängt und auch die Barackenältesten erhielten je ein Exemplar. Die Zeitschrift „Die Baracke" hatte im April 1918 198 feste Bezieher. Ihre Gesamtauflage betrug 315 Exemplare, wobei jede Korporalschaft ein Freiexemplar erhielt. Zusammen geben die beiden Lagerzeitschriften einen umfassenden Einblick in das Leben der Kriegsgefangenen (6).

Zeitschrift Preis
Täglicher Telegrammdienst Bando 15 sen wöchentlich
Nachrichtendienst 1 sen das Blatt
Die Baracke 50 sen monatlich


Zu Weihnachten, Ostern und Pfingsten brachte die Lagerdruckerei vorgedruckte Postkarten heraus, die die Gefangenen nur noch zu unterschreiben brauchten.

 

Verkaufsannonce der Pfingstpostkarte 1918. T.T.B.. Bd. 3, 30. April 1918, S. 4

 
 
 

In einer der letzten Ausgaben der „Baracke" wird ausführlich das in Bandō verwendete Druckverfahren erläutert: „Der Apparat, dessen wir uns bedienen, wird in erster Linie in Geschäftsbetrieben zu Vervielfältigungszwecken benutzt. Zu Hause findet man ihn meistens für Schreibmaschinenschrift eingerichtet. Hier in Japan ist naturgemäß hauptsächlich die Einrichtung für Handschrift verbreitet, und nur diese kommt für den Druck von Zeichnungen in Frage. – Auf einen mit einer Wachslösung imprägnierten Seidenpapierbogen wird mit Hilfe eines Metallgriffels (1. Abb.) die Schrift oder Zeichnung aufgetragen, wobei man sich als Unterlage einer feilenartig fein behauenen Stahlplatte bedient. Der Griffel schiebt beim Zeichnen die Wachsteilchen beiseite, und die Striche erscheinen als eine Reihe winzig kleiner Löcher. Der Bogen wird dann in den Rahmen des Apparates (1. Abb.) straff eingespannt; der Rahmen wird heruntergeklappt, so daß das zu bedruckende Papier unter dem eingespannten Wachsbogen liegt. Trägt man nun mit einer Walze Farbe auf den Bogen auf, so drückt sich diese durch die feinen Löcher hindurch und die Zeichnung erscheint auf dem Druckpapier." (7)

 
 

Im Falle eines Farbdrucks wurde der Vorgang dementsprechend komplizierter:
„Nehmen wir als Beispiel das Programm zur Aufführung des ‚Weißen Rößl’, das neben dem einfachen Liniendruck auch Flächen- und Überdruck enthält. Bevor der Druck beginnt, muß ein genauer Entwurf des Bildes gemacht sein. In diesem Falle erhält er ohne Überdruck 5 verschiedene Farben: Gelb, Blau, Violett, Grün und Schwarz. Diese Farben werden nacheinander mit der hellsten beginnend, gedruckt.
Zuerst also Gelb. Der Wachsbogen wird auf den Entwurf glatt aufgelegt und die durchscheinenden gelben Teile der Bilder (Schrift, Himmel und Berglinien) werden mit dem Malgriffel leicht nachgezeichnet, so daß sie auf dem Wachsbogen zu sehen, aber nicht durchgezeichnet sind. Die Schrift wird dann auf der Stahlplatte, wie oben beschrieben, in Strichmanier gezeichnet, der Himmel aber, da er als Fläche erscheinen soll, mit einem scharfen Messer ausgeschnitten, wie man eine Schablone herstellt. Die Farbe wird dem Ton des Entwurfs entsprechend gemischt. Beim Druck ist genau darauf zu achten, daß die Zeichnung auf jedem Druckbogen an der gleichen Stelle steht, da sonst die nächsten Farben nicht genau eingepasst werden können. Die bedruckten Bogen ergeben Abb. a. A. ... Als zweite Farbe folgt Blau. Der Wachsbogen bekommt die Himmelsstriche, die Striche am Pferd und die Untergrundstriche. Die Berge im Hintergrund werden ausgeschnitten. Der in den Apparat eingespannte Bogen „Blau“ muß dem bereits gedruckten Gelb genau angepasst werden, damit einerseits zwischen beiden Farben kein Weiß stehen bleibt, andererseits das Blau nicht in das Gelb übergreift. ... Mit dem nächsten Bogen werden die violetten Kranzschleifen als Flächen gedruckt. ... Eine Fläche darf stets nur so groß sein, daß die Walze sie mit einer einmaligen Umdrehung bedruckt. Bei einer zweiten Umdrehung hat sie schon soviel Farbe abgegeben, daß der Farbton bedeutend heller wird. Die beiden grünen Flächen des Kranzes mussten daher bei der Originalgröße des Programms in zwei Etappen gedruckt werden. ... Als letzte Farbe folgt Schwarz (Abb. f); und in Abb. F haben wir schließlich das fertige Bild vor uns. Mit dem Druck des Textes auf der Innenseite ist das Programm also siebenmal durch die Maschine gegangen." (8)

 
 
 
 

Je nachdem, ob ein Farbton als Strich- oder Flächendruck verwendet wurde, wirkte die Farbe unterschiedlich. In einer Zeichnung des Druckereigebäudes in der „Baracke" sind z.B. die Hauswand und der Boden im Vordergrund mit dem gleichen Wachsbogen in Gelb gedruckt. Dennoch wirkt der Boden wesentlich dunkler als die Hauswand (9).

 
 

(1) Die Baracke Bd. 2, No. 5 (31), 28. April 1918, S. 113-118
(2) Die Baracke Bd. 2, No. 5 (31), 28. April 1918, S. 115
(3) Die Baracke Bd. 4, April 1919, S. 39
(4) Behr, E. Drei Märchen. Buchschmuck und Schrift von Gustav Möller. Bando, 1918, DIJ-Signatur B06
(5) Die Baracke Bd. 2, No. 5 (31), 28. April 1918, S. 115
(6) Fremdenführer durch das Kriegsgefangenenlager Bando, Japan. 1918, S. 20
(7) Die Baracke Bd. 4, April 1919, S. 40-42
(8) Die Baracke Bd. 4, April 1919, S. 42-48
(9) Die Baracke Bd. 4, April 1919, S. 49