Rundgang durch das Lager Bandō
36. Konditorei „Geba"
| Entstehung
| Verkauf
| Ausstellung für Bildkunst und Handfertigkeit
Zeichnung „Gefangenenlager Bando: ‚Tapatau’", im Vordergrund die Konditorei Geba mit einem Verkäufer in der Tür stehend, daneben der Kampferbaum und die lang gestreckte Kegelbahn. Die Baracke Bd. 2, No. 22 (48) vom 25. August 1918, [Beilage]
Die letzte Ausgabe der „Baracke" enthält einen Rückblick auf die Entwicklung der „Geba" (1). Ihre Ursprünge liegen im Lager Matsuyama, und zwar in dessen Teillager Yamagoe, wo am 1. Dezember 1915 von dem Gefangenen Maurer eine deutsche Konditorei gegründet wurde. Dies geschah auf Wunsch vieler Insassen, da die Essensrationen als zu klein empfunden wurden und der bei den Japanern erhältliche Castella-Kuchen sowie die „sog. ‚Panzerplatten’ [wohl eine Art Kekse oder Reiscracker] als Kohldampftöter" (2) nicht dem Geschmack der deutschen Gefangen entsprachen. Trotz Schwierigkeiten bei Beschaffung der Rohmaterialien florierte das Geschäft. Der Weiterverkauf der Waren in die anderen Teillager war zwar verboten, jedoch wurde dieses Verbot umgangen. Wie das geschah, ist dem Artikel nicht zu entnehmen. Mit Verlegung nach Bandō konnten neue Fachkräfte aus den anderen Lagern dazu gewonnen werden. Ab 25. Mai 1917 nahm die „Geba" im Lager Bandō ihren Betrieb auf (3). Öffnungszeiten waren zunächst von 7-16 Uhr (4), später von 11.30 bis 15 Uhr (5). Der Name „Geba" war eine Abkürzung für „Gefangenenlager Bandō". Ursprünglich sollte es „Kogeba" – von Konditorei – heißen, aber die erste Silbe wurde in der Ankündigung aus Versehen vergessen, so dass es bei „Geba" blieb (6). Zunächst hatte sich das Gebäude hinter Küche 2 befunden, musste später aber dem Bäckereischuppen weichen. Das Gebäude der „Geba" wurde in einem Stück ins Budenviertel Tapautau umgezogen, wovon untenstehende Skizze existiert.
Gebäude der Geba in Tapautau. DIJ-Signatur H 57-1
Der Backofen musste am neuen Standort neu gebaut werden. Dies war der sechste Ofen, der in Betrieb war. Im September 1918 wurde er durch den siebten ersetzt. Ursprünglich arbeiteten zwei Mann in der Geba, bei Schließung des Lagers war die Zahl der Beschäftigten auf acht gestiegen. Ein großes Problem für die Betreiber war die ständige Teuerung der Rohmaterialien. Als Beispiel ist eine Torte genannt, deren Zutatenpreis im Laufe der Zeit von 3,60 Yen auf 8,75 Yen stieg. Der Schreiber des Artikels lobt jedoch, dass man immer noch „ansehnliche Stücke für 5 sen" (7) erhielte.
Einen Eindruck von der Beliebtheit der „Geba" bekommt man, wenn man betrachtet, dass allein während der Zeit in Bandō 36.250 kg Mehl und 131.000 Eier verbraucht wurden (8). Allerdings wurde nicht nur für den Bedarf im Lager, sondern auch für den Versand gebacken. In der „Baracke" schätzt man, dass als Geschenke (v.a. zu den Festtagen) nach Japan und China „etwa 500 kg Pfefferkuchen, 200 kg Marzipan und 120 kg Stollen" (9) aus der Produktion der „Geba" verschickt wurden. Die Backwaren der „Geba" waren als Weihnachtsgeschenke derart beliebt, dass die „Geba" vor Weihnachten 1918 völlig überlastet mit Bestellungen für den Versand war und gar keine weihnachtlichen Leckereien zum Verkauf im Lager mehr zur Verfügung standen, wie in einer „Lagerplauderei" in der „Baracke" bedauernd festgestellt wird (10). Auch vor der Heimreise im Herbst 1919 nahm die „Geba" Bestellungen auf „Honigkuchen, Lebkuchen und Pfeffernüsse" (11) sowie „Marzipan in Stücken" (12) zum Mitnehmen in die Heimat entgegen. Der Preis betrug pro Pfund 0,95 Yen für Gebäck bzw. 1,60 Yen für Marzipan. (Wirtschaftliche Situation und Preise)
Der Verkauf der Backwaren erfolgte in den Räumen der „Geba". Das Angebot kann man einer Mitteilung im T.T.B. entnehmen: „Schnecken und Bretzeln Stck. 5 sen, Hörnchen und Kämme Stck. 6 sen, Berliner und Raderkuchen Stck. 6 sen. Gebäck Nr. 1 (Blätterteig, Mohrenköpfe, Apfelschnitten, Buttercremetörtchen usw.) Stck. 10 sen, Kranzkuchen Stck. 50 sen, Napfkuchen Stck. 70-140 sen, Torten nicht unter Yen 2,50, Torten im Aufschnitt 20 sen, Käsestangen Stck. 6 sen, Salzstangen Stck. 5 sen, Teegebäck 5 Stck. 10 sen." (13) Außerdem wurde Roggenbrot verkauft (14).
Vermutlich „Lecker", der Austräger der „Geba". Foto aus Besitz des Deutschen Hauses Naruto, Negativ-Nr. 71-25
Die Einkäufe wurden von den Gefangenen vorsichtig behandelt, wie die folgende Passage zeigt: „Früher kamen um diese Zeit viele Leute aus dem Norden und verrieten durch ein in Papier gewickeltes, sorgfältig getragenes Etwas, daß sie in der Bäckerei Geba eingekauft hatten. Seit die Geba aus dem Schlaraffenlande vertrieben und diesem Stadtteil ein gutes Stück Berechtigung zu diesem leckeren Namen geraubt hat, um der Vorstadt Tapatau etwas von ihrer Unwirtlichkeit zu nehmen, sehe ich diese sorgsam behandelten weißen Papierhüllen in umgekehrter Richtung dahinziehen." (15)
Zusätzlich zum Ladengeschäft gab es noch einen Austräger, der seine Runde durch die Baracken drehte und der unter dem Spitznamen „Lecker" bekannt war. In der „Baracke" wird er mehrfach erwähnt, wie z.B.: „Manchmal wälzt sich auch eine weiße, runde Gestalt über den Weg, sie schiebt sich durch die Barackentür, und bald erschallt der zündende Ruf: ‚Lecker, Lecker ist da!’ Dann macht mancher seinen letzten Fünfer klar, um das Einerlei der Gefangenenkost durch ein Stück Kohldampfkuchen zu unterbrechen." (16)
„Lecker is’ doa". Muttelsee, Willy. Karl Bähr. 4 1/2 Jahre hinter’m Stacheldraht. Skizzen-Sammlung. Bando: Kriegsgefangenenlager, [1919], o.S., im Besitz des Deutschen Hauses Naruto
Vermutlich der Kuchenverkauf in der „Geba". Foto aus Besitz des Deutschen Hauses Naruto, Negativ-Nr. 71-24
Bescheinigung für FUJITA Tadanosuke. Foto aus Besitz des Deutschen Hauses Naruto, Negativ-Nr. 1-2-26
Angesichts der bevorstehenden Heimreise und der Lebensmittelknappheit in Deutschland vermutet ein Schreiber in der letzten Ausgabe der „Baracke", dass mancher mit Wehmut an die gefüllten Teller in Bandō zurückdenken werde: „Und in diesen lieblichen Erinnerungen, die uns umgaukeln werden, wenn wir vor Kohldampf keinen Schlaf finden, wird eine Gestalt den Reigen anführen: Lecker mit seinem Tragbrett, auf dem sich die Herrlichkeiten der ‚Geba’ häufen. Kein Unternehmen hier im Lager hat uns die Tage der Kriegsgefangenschaft so versüßt wie die ‚Geba.’" (17)
Die Konditorei „Geba" hat bis heute Spuren in der Region um Bandō hinterlassen. Der Japaner FUJITA Tadanosuke (vermutete Namenslesung) lernte bei Heinrich Gabel, einem Mitarbeiter der „Geba", ein halbes Jahr lang das Bäckereihandwerk, wie eine von Oberst Matsue ausgestellte Bescheinigung zeigt. Fujita eröffnete später in Tokushima die Bäckerei „Doitsuken" („Deutsches Haus"), wo es Brot und Kuchen im deutschen Stil gab (18). Fujita gab seine Kenntnisse an seine Schüler weiter, und noch heute gibt es in Naruto eine Bäckerei gleichen Namens, die ebenfalls deutsches Brot verkauft.
Bäckerei „Doitsuken" in Tokushima. Foto aus Besitz des Deutschen Hauses Naruto, Negativ-Nr. 59-9
Produkte der „Geba" bei der „Ausstellung für Bildkunst und Handfertigkeit". Foto aus Besitz des Deutschen Hauses Naruto, Negativ-Nr. 52-31
An der im März 1918 durchgeführten „Ausstellung für Bildkunst und Handfertigkeit" nahm die „Geba" ebenfalls teil und wurde mit einem Preis ausgezeichnet. Es heißt in der „Baracke": „Wie die Verwirklichung eines Kindertraumes mutet die Ausstellung der ‚Geba’ (1. Preis Gruppe Qu) an. Da ist das Pfefferkuchenhäuschen, wie wir es als Kinder ersehnt haben, ein kunstvoll aus Zucker geformtes Storchnest auf dem Dach und mit einem Zaun, der auch aus eitel Zucker besteht. Ebenso trefflich wie das Häuschen sind der garn. Baumkuchen, der deutsche Hochzeitskuchen und verschiedene Torten geraten." (19) Die Waren kamen beim Publikum sehr gut an. Die Stände der Abteilung „Lebensmittel", darunter auch der Stand der „Geba", verzeichneten „dauernd den größten Andrang" (20). Wie man dem Plan des Ausstellungsgeländes entnehmen kann, hatte die „Geba" auch einen Verkaufsstand beim Kaffee-Garten, der gleich neben der Haupthalle des Tempels Ryōzenji gelegen war (21). Von diesem „Pavillon heraus ... [pries] ‚Lecker’ die Produkte der ‚Geba’ an" (22).
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