Theater
Theater in Bandō
| Bühne, Requisiten, Kostüme
| Organisation und Spielplan
| Kartenverkauf und Preisgestaltung
| Programmhefte
| „Ausstellung für Bildkunst und Handfertigkeit"
Mit der Verlegung nach Bandō besserten sich die Bedingungen erheblich. Zwar gab es zunächst auch keinen geeigneten Platz, so daß die erste Aufführung im Lager, „Die Ehre" von H. Sudermann, im Juni 1917 noch auf einer provisorischen Bühne zwischen Baracke 1 und 2 stattfinden musste und man auch im drauffolgenden Monat für „Die Räuber" von Schiller auf eine Freilichtaufführung auswich. Der Gefangene Suhr baute jedoch in der Osthälfte von Baracke 1 eine Bühne, die im August 1917 mit der Vorführung von „Der G’wissenswurm" von L. Anzengruber eingeweiht wurde. Durch die Entfernung einer Zwischenwand und Zusammenlegung der Räume 5-8 wurde ein großer Raum geschaffen, der auch für Musik- und Vortragsveranstaltungen genutzt wurde (1).
Theaterraum in Baracke 1. Die Seitenwände sind nur für die Aufnahme geöffnet und waren normalerweise geschlossen . Pörzgen, Hermann. Theater ohne Frau. Das Bühnenleben der kriegsgefangenen Deutschen 1914-1920. Königsberg: Ost-Europa-Verlag, 1933, Abb. 15
Der Zuschauerraum während eines Konzerts. Foto aus Besitz des Deutschen Hauses Naruto, Negativ-Nr. 99-16
Außenansicht von Baracke 1. Foto aus Besitz des Deutschen Hauses Naruto, Negativ-Nr. 82-17
Mit der Aufführung von „Die Journalisten" im Oktober 1918 wurde die neue Beleuchtung der Bühne eingeweiht, die Lichtwart Engel gelegt hatte (2). Der Ausbau und die Verbesserung der Bedingungen wurden aber auch später weiter vorangetrieben, wie der zweite Bericht des Theater-Ausschusses zeigt (3). Durch Verhandlungen mit der Elektrischen Lichtgesellschaft konnten die Kosten für die Beleuchtung verringert, und dank einer Anleihe bei den Lagerinsassen konnten die Tribünen für die Zuschauer verbessert werden. Der Theater-Ausschuss bedankt sich bei den Geldgebern und schreibt: „Die Bereitwilligkeit, mit der die nötigen Mittel zur Verfügung gestellt worden sind, ist uns ein weiterer Beweis dafür, daß das ganze Lager den Darstellern und all ihren Mitarbeitern herzlich dankbar ist für die viele aufgewandte Arbeit und Mühe und die vorzüglichen Leistungen." (4)
Was die Ausstattung der Aufführungen angeht, so wurde z.B. Zivilkleidung aus dem Besitz der Gefangenen, sofern möglich, auch als Kostüme genutzt oder die Kostüme wurden extra für die Aufführungen angefertigt. Dabei standen mit den Werkstätten in Bandō ganz neue Möglichkeiten zur Verfügung und das nicht nur im Hinblick auf Kostüme, sondern auch für die Requisiten und Bühnenbilder. Fotoaufnahmen der Aufführungen und die Sammlung an Bühnenbildern, die in der letzten Ausgabe der „Baracke" (5) wiedergegeben ist, belegen das Engagement und die Kunstfertigkeit der Theaterenthusiasten unter den Gefangenen.
In Bandō fanden sich die Gruppen aus den zusammengelegten Lagern teilweise in neuen Besetzungen zusammen. Alle früheren Theaterleiter waren auch in Bandō aktiv. Mehrere Stücke wie z.B. „Der G’wissenswurm", „Minna von Barnhelm" und „Wallensteins Lager" kamen in Bandō zur Wiederaufführung. Vereinzelt taten sich die Gruppen auch für eine Aufführung zusammen wie z.B. im Fall von „Egmont" (6) oder „Die Stützen der Gesellschaft" (7). Das „Adressbuch für das Lager Bando 1917/8" zeigt eine Übersicht der verschiedenen Theater-Vereinigungen.
- M.A. Gruppe Holtkamp
- Vereinigung der 6. Kompanie
- M.A. Gruppe Brandau
- Vereinigung Marugame-Matsuyama
- Vereinigung Yamagoe
Der „Fremdenführer durch das Kriegsgefangenenlager Bando, Japan. 1918" gibt Aufschluss über die Organisation des Theaterlebens: „Theater. Leiter: Herr Leutn. d. R. Solger. An ihn sind alle Anmeldungen über beabsichtigte Aufführungen und Vorträge zu richten. Theaterausschuß: Masch. d. S. II Schlichtinger, Gefr. Lissmann, Seesoldat König I, Sees. Steinfeld, Gefr. Felchnerowski und Seesoldat Abelein. Er regelt den Verkauf der Theaterkarten, übermittelt Wünsche und Vorschläge der Lagerbewohner an die Theaterleitung und die einzelnen Theatergruppen." (8) Im November 1918 übernahm R. Martin die Theaterleitung von F. Solger (9).
Auf Spielplan standen vor allem Komödien (z.B. „Pension Schöller", „Die beiden Seehunde"), die zur Ablenkung vom Gefangenendasein dienen sollten, wie die Besprechungen in der „Baracke" zeigen. Bei der Vorführung von „Im weißen Rössl" schreibt der Rezensent: „Alle die komischen Situationen wurden viel und dankbar belacht. Und was solch ein Lachen im Lager gerade für uns wert ist, empfindet wohl jeder an sich selbst" (10). Man wagte sich jedoch auch an ernste Stücke (z.B. „Die Rabensteinerin", „Wallensteins Lager"), die vom Publikum ebenfalls gewürdigt wurden. Teilweise gab es Einführungsvorträge zu den Stücken oder es wurden vor der Aufführung einführende Artikel in der „Baracke" veröffentlicht (z.B. „Minna von Barnhelm", „Der zerbrochene Krug"). Meist beteiligten sich auch die Lagerorchester oder Teile von ihnen mit Zwischenmusik oder Ouvertüren an den Aufführungen (z.B. „Der Widerspenstigen Zähmung", „Alt-Heidelberg").
Die Ankündigung der Theateraufführungen erfolgte über das zentrale Nachrichtenorgan, den „Täglichen Telegrammdienst Bando", kurz T.T.B. Es gab in der Regel eine Vorstellung zu 50 sen und mehrere zu 10 sen. Im Fall der Puppenspiele kostete die teure Vorstellung nur 30 sen und die günstigere 10 sen. Da die Abnehmerzahl der 50-sen-Karten begrenzt war – nur Offiziere und andere betuchtere Gefangene kamen dafür in Frage – wurden diese Karten direkt in der Druckerei, der Kantine oder der Bibliothek verkauft. Für die 10-sen-Karten wurde meist mit Bestelllisten, die halfen den Bedarf abzuschätzen, gearbeitet. Für jede Baracke wurde ein Verkäufer eingeteilt, der die Bestelllisten führte und das Geld einsammelte. Bei entsprechender Nachfrage wurden Zusatzvorstellungen angesetzt, wie z.B. im Falle der Komödien „Im weißen Rössl" und „Pension Schöller".
Anzeige von „Die Rabensteinerin“. T.T.B. Bd. 3, 19. Februar 1918, S. [4]
Zu den Aufführungen wurden künstlerisch gestaltete Programmhefte von der Lagerdruckerei gedruckt, die schon damals als eine Art Sammlerstück gesehen wurden, wie uns eine „Lagerplauderei" aus der „Baracke" verrät: „Auch sind doch unsere Programme ein ganz hübsches Andenken an die sonnigen Lichtstunden der Gefangenschaft, auch schon durch ihre künstlerische Ausstattung, eine Leistung bei der unserer Lagerdruckerei zur Verfügung stehenden Mittel, die der Laie gar nicht zu würdigen weiß." (11). Durch das ab Juni 1918 geltende Verbot Drucksachen aus dem Lager zu schicken, litt der Verkauf an Theater- und Konzertprogrammen jedoch sehr, und der Autor der Kolumne mahnt die Leser: „Das ist recht schmerzhaft für unsere Künstler, die auf diese kleine Beisteuer zur Deckung ihrer nicht immer kleinen Unkosten rechnen. Das sollte jeder überlegen, ehe er beschließt, für den Groschen für ein Programm lieber ein Glas Fassbier zu trinken." (12)
Bei der „Ausstellung für Bildkunst und Handfertigkeit" im März 1918 wurde den Theaterleuten ein eigener Ausstellungsraum eingeräumt, der in der „Baracke" folgendermaßen beschrieben wird: „Beim Betreten des dem Theater ... reservierten Raumes kommen uns wieder viele frohe und genußreiche Stunden, die wir der ausstellenden Theatergruppe verdanken, in Erinnerung. Alte Bekannte begrüßen uns in den Kostümen von ‚Peter Squenz’, und ‚Minna von Barnhelm’, ‚Just’, ‚Lady Katogan’ und andere mehr. Man kann nur immer wieder staunen, daß ohne weibliche Hilfe, ja auch ohne gelernte Schneider, etwas derartiges geleistet ist. Kleine puppenartig ausgeführte Nachbildungen von einzelnen Zimmern der verschiedenen Aufführungen geben dem von auswärts kommenden Besucher einen ungefähren Begriff, daß die Göttin Thalia auch bei uns im Lager ganz wohnlich – jedenfalls bedeutend wohnlicher als wir armen Kriegsgefangenen selbst – untergebracht ist. Außer den Theaterkostümen und Requisiten ist von einem unserer bewährten Lagerkünstler ein Marionettentheater ... aufgestellt, dessen Aufführungen wir hoffentlich bald im Lager selbst genießen werden können. Auf die mit künstlerischem Geschick hergestellten Puppenköpfe sei besonders hingewiesen." (13)
Im Hintergrund die Marionettenbühne bei der „Ausstellung für Bildkunst und Handfertigkeit“ März 1918. Foto aus Besitz des Deutschen Hauses Naruto, Negativ-Nr. 52-37
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