Verpflegung

Tierhaltung

 
 

Zahlreiche Kriegsgefangene hielten Kleintiere, die als Schlachtvieh oder Eierlieferanten. Eine Zählung am 1. November 1918 ergab folgende Verteilung (1):


Hühner
1008 (über die Hälfte selbst gezüchtet)
Enten 282
Gänse 30
Truthühner 30
Tauben 75
Karnickel 51


Außerdem gab es noch die „Lagerschweinchen" (2), die den Insassen gemeinsam gehörten und die mit den Speiseresten aus dem Lager gefüttert wurden. Die 10 Ferkel waren im September 1919 aus Spendenmitteln angeschafft worden und sollten bis zur Schlachtreife gemästet werden (3).

 

Schweineaufzucht. Foto aus Besitz des Deutschen Hauses Naruto, Negativ-Nr. 71-29

 

Die Versorgung der privat von einzelnen Gefangenen gehaltenen Tiere mit Futter war eine ständige Beschäftigung. Landwirte, die auch Geflügelhalter waren, züchteten extra Spinat und Kohl etc. als Hühnerfutter (4). Andere führten ihre Tiere auf die Weide (5). Das „Frösche greifen", also das Frösche-fangen, war ein beliebter Sport, und auch geschlachtete Hunde oder Katzen wurden verfüttert (6). Außerdem wurden Ausflüge genutzt, um Grünzeug zu sammeln: „Komisch ist es, einen Karnickelbesitzer auf so einem Spaziergang zu beobachten. Schwelgen andere in Naturschönheiten und lassen ihr Auge bewundernd über Berg und Tal und die blaue See schweifen, so richtet er das seine krampfhaft auf den Boden. Mit scharfem Blick erspäht er ein grünes Hälmlein, blitzschnell fährt er mit sicherem Griff darauf und schon ist es im gefräßigen Brotbeutel verschwunden." (7)

 
 

Einer der Hühnerställe. Foto aus Besitz des Deutschen Hauses Naruto, Negativ-Nr. 39-3

Die Begeisterung für die Geflügelhaltung im Lager war sehr groß, wie die folgende Passage aus der „Baracke" zeigt: „Ja, ja, wer noch nie den süßen träumerischen Zustand kennen gelernt hat, der sich auf das Gemüt des Kriegsgefangenen legt, wenn er im Hühnergarten in der Frühlingssonne dahindöst und den Lockungen und Tätigkeiten des Hahnes und seines Harems nachsinnt, der kann über ‚Hühner’ einfach nicht mitreden. ‚Hühnerzauber’ möchte man diesen seligen Ruhezustand nennen, der etwas vom Nirvana der Buddhisten an sich hat. Wacht man dann wieder auf, wird das Herz erfreut durch Perspektiven auf Eierfrühstücke, Brathähnchen usw." (8) Die Zahl der Hühnerbesitzer nahm im Laufe der Zeit zu: „Seit ungefähr 4 Wochen sind weite Kreise des Lagers von einem gefährlichen Geflügelfummel ergriffen. Der Eiersegen einiger Hühnerbesitzer hat wie ein Bazillus gewirkt. Selbst Sumpfhühner und Bücherwürmer, die man für gefeit gegen solche Anwandlungen gehalten hätte, sind von der Ansteckung nicht verschont geblieben. Statt weiter herumzusumpfen oder hinter Büchern zu hocken liegen sie jetzt dauernd im Hühnerstall oder führen ihre Enten und Gänse auf die Weide." (9)

Das Hühnerstallviertel war auch bei Musikübenden beliebt. In dem Artikel mit den Daten zur „Hühnervolkszählung" heißt es weiter: „Unter diesen 1476 Stallbewohnern sind jene, die nicht krähen oder gackern, sondern nur Fiedel und Harmonium quälen, nicht mitgezählt. Wenn jetzt durch den Futtermangel Ställe leer werden, wird das Hühnerviertel noch musikalischer werden." (10) Im T.T.B. findet sich z.B. die folgende Annonce: „Achtung!!! Neues geräumiges Hühnerhaus, 7 Fenster, idyllisch gelegen, ozonreiche Luft, an Musikfreund billig zu vermieten – Täglich frische Eier, junge Hühnchen. Näheres 4/114, 4/85, 4/82." (11) Bei Anschaffung der Mastferkel wurde nämlich zum Nachteil der Geflügelbesitzer von der Lagerleitung festgelegt, dass Speisereste aus den Küchen nur noch an die Schweine verfüttert werden durften (12).

 
 

Einer der Hühnerställe. Foto aus Besitz des Deutschen Hauses Naruto, Negativ-Nr. 35②-34

 
 
 
 

(1) Die Baracke Bd. 3, No. 6 (59), 10. November 1918, S. 122
(2) Die Baracke Bd. 3, No. 6 (59), 10. November 1918, S. 122
(3) T.T.B. Bd. 5, 30. September 1918, S. [4]
(4) Die Baracke Bd. 2,  No. 1 (27), 31. März 1918, S. 26
(5) Die Baracke Bd. 4, Juni 1919, S. 109
(6) Die Baracke Bd. 4, Juni 1919, 110
(7) Die Baracke Bd. 3, No. 24 (77), 16. März 1919, S. 547
(8) Die Baracke Bd. 2, No. 1 (27), 31. März 1918, S. 26
(9) Die Baracke Bd. 4, Juni 1919, S. 109
(10) Die Baracke Bd. 3, No. 6 (59), 10. November 1918, S. 122-123
(11) T.T.B. Bd. 5, 18. September 1918, S. 3
(12) T.T.B. Bd. 5, 5. November 1918, S. [3]