Ausstellung für Bildkunst und Handfertigkeit in Zitaten

Die Ausstellungstage

 
 

Auf dem Ausstellungsgelände. Foto aus Besitz des Deutschen Hauses Naruto, Negativ-Nr. 38-32

Am 8. März in früher Morgenstunde wurde die deutsche Ausstellung durch eine kurze Ansprache von Herrn Hptm. Stecher und durch einen flotten Marsch der Kapelle Schulz eröffnet. Der Eröffnungstag konnte nicht glücklicher liegen. Hatte uns doch erst 2 Tage zuvor die frohe Nachricht des Friedensschlusses mit Russland erreicht, und während der ersten Ausstellungstage hagelte es weitere Friedensschlüsse, wie einstmals Kriegserklärungen. Ob hierbei der japanische Wettergott kalte Füße bekam oder ob er es dem preisgekrönten russischen Himmel Blombergs gleichtun wollte – kurzum, die Sonne verkroch sich am Eröffnungstage hinter einer dicken grauen Wolkenwand und die nicht mit Bestimmtheit nachweisbaren kalten Füße des Wettergottes fanden leider einen ganzen Haufen unwiderlegbarer irdischer Gegenstücke... Aber schon sehe ich die Stirn eines hohen Ausstellungsvorstandes sich umwölken: haben wir deshalb unsere Geschäftsunkosten um mehrere Tassen Kaffee und noch mehrere Geba-Stückchen erhöht, damit der Berichterstatter nachher in der ‚Baracke’ etwas von kalten Füßen erzählt?! – Die Wolken im Geschäftszimmer werden sich schnell zerstreuen, denn der Berichterstatter hat so viel Schönes und Erfreuliches zu erzählen, daß er, schon um den Verdacht zu vermeiden, daß er alles in Rosa male, auch vom grauen frostigen Wetter sprechen mußte, da ja der Himmel bald ein Einsehen hatte, und die Sonne dann unentgeltlich und in Hülle und Fülle die Kalorien spendete, die die ‚Bevorzugten’ des Eröffnungstages sich einzeln und für schweres Geld am ‚Lukas’ oder in anderer Form aus der Garküchenbude erstehen mußten. Wenn man dann bei strahlendem Sonnenschein unsere Matrosen und Seesoldaten mit frohen Mienen im Vergnügungspark lustwandeln und an den japanischen Tagen unendliche Mengen staunenden Volkes sich drängen sah, da konnte man über die deutsche Ausstellung in Bando nicht anderes urteilen, als indem man in den höchsten Tönen ausrief: Eingeschlagen, eingeschlagen hat’s!

 

Die beiden ersten Tage, der 8. und 9. März, waren dem Besuch der Lagerbewohner vorbehalten. Mit Todesverachtung spielten bei Wind und Wetter in großer und kleiner Besetzung unsere Lagerkapellen ihre fröhlichen Weisen; ihrer unermüdlichen Tätigkeit unter ihren verdienstvollen Leitern (Uffz. Schulz, Ob. Mtr. Artl. d. R. Dobe, Sees. d. L. P. Engel) ist es zum nicht geringen Teile zu danken, daß die Ausstellung so ein großer Erfolg geworden ist. Die kalte Witterung hatte übrigens auch ihr Gutes: viele, die dringend verdächtig waren, daß ihr Hauptinteresse in gerader Linie vom Eingangsbogen lag, schwenkten nun doch zur schützenden Ausstellungshalle ein und wurden dort gefesselt von den Leistungen der Talente, die sich in der Stille Tapataus und in anderen Arbeitsstätten gebildet hatten! Mit gutem Gewissen konnten sie dann am 3. und 4. deutschen Tag (13. und 14. März) beim Nachmittagskaffee mit Musik das schöne Wetter genießen. Aber nicht nur Ohr und Zunge kamen hier auf ihre Kosten, auch das Auge wurde erfreut durch das anmutige stacheldrahtlose Bild, das sich hier bot, der Bambushain und der schöne Tempel im Hintergrund, davor die deutsche Militärkapelle und vorne unter hohen mächtigen Bäumen buntes fröhliches Jahrmarkttreiben.

 
 

Das Engel-Orchester vor der Haupthalle des Tempels. Foto aus Besitz des Deutschen Hauses Naruto, Negativ-Nr. 15-45

Lebhafter ging es an den japanischen Tagen zu. In endloser Reihe belagerten Männer und Frauen, Kinder und Greise aller Stände den Eingang, alles drängte die Wunderwerke der deutschen Kriegsgefangenen zu sehen, und ängstlich hielten sich viele am Kimono des Vordermannes um ja nicht den glücklich ergatterten Platz in der Reihe zu verlieren. Wenn sie dann glücklich ins Innere der Halle gelangt waren und dann den lichtvollen Ausführungen unserer unermüdlichen Dolmetscher (Vz. Wachtmstr. d. L. Werner, Vz. Feldw. Krück, Euchler, Barghoorn, Fähnrich Dahm, Uffz. Hoyer, Pion. Werner, Sees. Meissner, Steinfeld, Bärwald, van der Laan, Schäfer, Andreas, Eggebrecht, Simonis, Keyssner, Strauss und Nitze) lauschten, dann war des Staunens kein Ende. Das dankbarste Publikum waren aber wohl die zahlreichen Kinder, die unter Führung ihrer Lehrer und Lehrerinnen die Ausstellung besuchten. Die interessantesten Ausstellungsobjekte für sie waren offenbar die bösen Feinde in höchsteigener Person. Hunderte von Augen folgten jedem Geigenstrich, hingen an jedem Bissen, den so ein armer Kriegsgefangener sich zu Gemüte führte, an jedem Glase Bier, das er ... Verzeihung, das ist natürlich reine Berichterstatter-Phantasie, Bier war ja verboten! Aber wenn einer unserer Kraftmeier den ‚Lukas’ schlug, dann flogen, wie am Schnürchen gezogen, Hunderte von schwarzen Köpfen dem Bolzen nach.

 

Ein paar Zahlen sollen zeigen, wieviel Menschen die Ausstellung durchwandert haben. Es wurden (alles eingerechnet) folgende Besucher gezählt:

am 8. März 1130 deutsche Tage
 " 9.    " 1160
 " 10.    " 4981
 
japanische Tage
 " 11.    " 6925
 " 12.    " 9370
 " 13.    " 1806 deutscher Tag
Übertrag 25.372 Personen

Übertrag 25.372 Personen
am 14. März 1.568 deutscher Tag
 " 15.   " 3.620
 
 
 
japanische Tage
 " 16.   " 2.209
 " 17.   " 7.628
 " 18.   " 4.388
 " 19.   " 5.310
Zus. 50.095

Zu den Besuchern zählten erfreulicherweise auch Herr Pfarrer Schröder aus Tokyo, die in Tokushima wohnenden deutschen Damen und eine Anzahl unserer Landsleute aus Kobe. In den ersten Tagen besichtigten die Spitzen der japanischen Behörden die Ausstellung, u.a. der Stadtkommandant von Tokushima, Generalmajor Yamaguchi, zahlreiche Offiziere des Inf. Reg. Nr. 62, ein Vertreter des Ackerbau-Ministeriums, der Präfekt des Tokushima-ken, der Vorsitzende des Provinzial-Landtages, außerdem viele Beamte, Stadtverordnete, Fabrikanten und Kaufleute.
Sehr lebhaft war die Nachfrage nach Ausstellungsgegenständen. Vieles wurde begehrt, was leider nicht verkäuflich war, von dem aber, was zum Verkauf stand, blieb kaum ein Stück übrig, und viele Nachbestellungen erfolgten. Wurde man im Geschäftszimmer um große Beträge auf einmal erleichtert, so wollte im Vergnügungspark das Geld in kleinen Beträgen langsam, aber deshalb nicht weniger sicher aus den Taschen. Ein recht erfreulicher Überschuß dürfte zu erwarten sein. 

 
 
 

Ein sehr guter Gedanke der Veranstalter war es, auch dem ganzen Lager Gelegenheit zu geben, über die in der Ausstellung gebotenen Leistungen zu Gericht zu sitzen und dem besten einen Preis zuzusprechen. Durch Volkes Stimme wurde Pionier Schroer für sein Album mit Einlegearbeit zum Sieger erklärt. Wir beglückwünschen ihn aufs herzlichste zu seinem wohlverdienten Erfolge. Der Träger des 1. Lagerpreises (Yen 10,- in bar) vereinigte auf sich 126 von 406 abgegebenen Stimmen. Das Aquarium mit selbsttätigem Springbrunnen des Gefr. d. L. Fröhlich erhielt mit 78 Stimmen den 2. Preis (Yen 5,-), und der Preis [sic] (Yen 3,-) wurde Lt. d. R. Rumpf und Ers. Res. Hohn für das Modell eines von Lt. d. R. Müller entworfenen Wohnhauses zuerkannt. (35 Stimmen). Dem 3. Preisträger folgt mit 30 Stimmen St. Mt. d. S. II Segebarth (Modell eines Fünfmastvollschiffes). Die restlichen Stimmen sind recht zersplittert und beweisen die alte Wahrheit, daß die Geschmäcker sehr verschieden sind. Der ehrlichste aller Wähler war aber wohl der, der auf seinem Stimmzettel 3 große Fragezeichen setzte und damit zu erkennen gab, daß es unter so viel verschiedenartigen vorzüglichen und guten Leistungen allzu schwer ist, einem allein die Palme zu reichen. Dies zum Trost all denen, die ungekrönt unsere Ausstellung verlassen mußten. Die Ausstellungstage, die unter so glückverheißenden Friedens-Vorzeichen standen, sie waren wie die Vorahnung künftiger Freiheit, wie der erste schüchterne Versuch des jahrelang ans Bett gefesselten Kranken seine Glieder wieder ein wenig zu bewegen. – Wie dem aber auch sei, unser aller Dank für ein paar schöne festliche Tage gebührt den Veranstaltern, den Künstlern und all denen, die ihre Kräfte in den Dienst der guten Sache gestellt haben. Dankbar sei auch anerkannt, daß die japanische Lagerbehörde die Ausstellung in jeder Weise zu fördern bemüht war.
Mit Stolz können wir Kriegsgefangenen auf die Deutsche Ausstellung Bando 1918 zurückblicken. Der Beweis, ‚daß wir uns auch nach mehr als drei Jahren Gefangenschaft unsere geistige Frische und Arbeitsfreudigkeit bewahrt haben’, ist wohl erbracht. Eins aber erfüllt uns mit besonderer Freude: Tausende von Bewohnern des Landes, das uns gefangen hält, haben die Werke deutscher Kriegsgefangener mit eigenen Augen bewundert, Hundertausende hören davon durch mündliche Berichte und durch die Zeitungen. Ihnen allen, denen seit Kriegsbeginn immer und immer wieder neu das Lügenbild des deutschen Barbaren gezeigt worden ist, ihnen konnten wir mit unserer Ausstellung ein Stück echt deutschen Wesens vor Augen führen.
‚Hie gut Deutschland alleweg!’ – Den Eindruck werden Hunderte von Reuter-Telegrammen nicht wieder verwischen. So durften wir mit unseren bescheidenen Kräften dem Vaterlande einen Dienst erweisen.
--dt. [Autorenkürzel]

 

Volltext aus: Die Baracke Bd. 1, No. 25, 17. März 1918, S. 3-42 = 543-582