Theater

Besonderheiten

 
 
Vorschrift: Klatschen verbotenMitbringen von StühlenTheater ohne Frau
 

Das Theaterspiel in einem Kriegsgefangenenlager weist einige Besonderheiten auf, die dem heutigen Theaterbesucher vielleicht nicht sofort bewusst sind und die im Folgenden kurz erläutert werden sollen.

Eine Besonderheit der Theateraufführungen im Lager Bandō war die Tatsache, dass die japanische Lagerleitung ein Verbot gegen das Klatschen erließ. Bei den ersten vier Aufführungen bis einschließlich Oktober 1917 war diese Vorschrift noch nicht in Kraft, aber aufgrund des Lagerbefehls vom 1. November 1917 wurde Beifall für unerwünscht erklärt, d.h. ab der Aufführung von „Minna von Barnhelm" im November 1917. Im Programmheft (DIJ-Signatur E 2-02) steht der Hinweis: „Infolge des Lagerbefehls vom 1. November wird gebeten, nicht zu klatschen!!"

Auch auf dem Programmblatt (DIJ-Signatur E 2-03) der Aufführung von „Pension Schöller" im Dezember 1917 ist die Anweisung in großen Buchstaben zu lesen: „Nicht applaudieren! S. Lagerbefehl vom 1.11.1917".

Die Umsetzung des Verbotes war wohl nicht immer ganz einfach, wie eine Annonce zu „Alt-Heidelberg" im T.T.B. zeigt: „Auf Grund neuerlicher Beschwerden sind wir angewiesen worden, das Verbot bei Theateraufführungen mit den Händen zu Klatschen, in Erinnerung zu bringen." (1)

In späteren Programmheften finden sich keine Hinweise auf das Verbot mehr. Der Befehl wurde aber auch nicht aufgehoben, wie Anmerkungen in der „Baracke" zeigen. So heißt es z.B. in der Besprechung zum Hans-Sachs-Abend im Dezember 1918: „Starker Beifall hätte, wenn er hier ‚üblich’ wäre, sicherlich allen Mitwirkenden sowohl für ihren Entschluß als auch für ihre Leistungen gedankt." (2)

 
 
 
 
 

Es gab zwar die feste Bühne in Baracke 1, jedoch fehlte es im Zuschauerraum an Sitzgelegenheiten, und die Theaterbesucher mussten ihre eigenen Stühle oder Hocker zu den Vorstellungen mitbringen. Über den T.T.B. wurden genaue Anweisungen gegeben, wie z.B. im Fall der Vorführung von "Im weißen Rössl": „10 Sen-Vorstellungen! Da die vorhandenen Bänke nicht ausreichen und vielfach der Wunsch besteht eigene Sitzgelegenheit zu benutzen, wird gebeten durchweg Hocker mitzubringen [(]auch mit Lehne). Maximalgrösse in der Horizontalen 45 x 45 cm. Die Barackenordner der Bar. I sind beauftragt, Sitzgelegenheiten grösserer Abmessung zurückzuweisen bzw. zu entfernen. Theater-Ausschuss." (3)

 

Bei den Luxusvorstellungen zu 50 sen war zwar mehr Platz pro Zuseher vorgesehen, aber auch hier mussten die Besucher ihre Stühle mitbringen. So heißt es zur Aufführung von „Der zerbrochene Krug" im April 1918: „Es wird gebeten, die Stühle für die 50 sen-Vorstellung am Donnerstag in der Zeit von 3-5 Uhr nachm. nach Bar. 1 zu bringen. Da für jede Reihe 11 Plätze vorgesehen sind, können Stühle von mehr als 56 cm Breite nicht untergebracht werden." (4) Bei anderen Vorführungen wurden die Zuschauer aufgefordert, ihre Plätze selbstständig zu nummerieren und rechtzeitig im Theaterraum abzuliefern, wie z.B. im Fall von „Die Journalisten" im Oktober 1917: „Es wird gebeten, zur heutigen Theater-Aufführung die Stühle, mit der auf der Eintrittskarte angegebenen Reihe & Nummer versehen, heute bis 5 Uhr nachm. in Baracke I. abzugeben." (5) Manchmal mussten nur einzelne Plätze zusätzlich bestuhlt werden, wie eine Anzeige im T.T.B. zeigt: „Minna von Barnhelm. Die Aufführung beginnt pünktlich 61/2 Uhr. Es wird um rechtzeitiges Erscheinen gebeten. Plätze 1 und 14 Stühle mitbringen." (6)

 
 

Der Darsteller mit Perücke ist vermutlich die Amalia aus „Die Räuber“. Foto aus Besitz des Deutschen Hauses Naruto, Negativ-Nr. 35-②-5

Da es sich bei den Insassen des Kriegsgefangenenlagers Bandō ausschließlich um Männer handelte, musste man logischerweise auch die weiblichen Rollen in den Theaterstücken mit Männern besetzen. Dies war nicht immer ganz einfach, wie eine Bemerkung im Zusammenhang mit „Die Stützen der Gesellschaft" zeigt: „Während unseres Aufenthalts in Bando ist schon wiederholt der Gedanke aufgetaucht, ein Ibsensches Stück zu spielen. Bedenken in der Besetzung der Rollen, besonders der weiblichen, haben immer davon abgeschreckt. An ihnen scheiterte noch kürzlich der Versuch, die ‚Gespenster’ auf unsere Bühne zu bringen." (7)

Es gibt jedoch auch sehr begeisterte Kritiken in der „Baracke". So gefielen z.B. die „Damen" in „Sherlock Holmes" ganz außerordentlich: „Und dann erst die Damen! – Beim Stubendienst, Fußballspiel und anderen festlichen Gelegenheiten merkt man aber auch wirklich gar nichts von soviel schlummernder sinniger Anmut und mädchenhafter Grazie." (8) Der Rezensent fährt fort: „Und nun zum Schluß noch ein süßes Geheimnis, das mir auf der Zunge brennt. Man munkelt, daß eine unserer Damen kurz vor der ersten Aufführung von einem Besucher der Generalprobe einen prächtigen Blumenstrauß mit einem ‚billet-doux’ erhielt, das mit ‚Sehr verehrtes gnädiges Fräulein’ überschrieben und mit ‚Ein stiller Verehrer’ unterzeichnet war. Ganz wie bei uns zu Hause. – Ich glaube, hätten wir Zuschauerinnen von der echten Fakultät unter uns gehabt, manch eine wäre wohl ein wenig neidisch geworden auf ihre künstlichen Schwestern. In der Erinnerung werden wir später wohl alle gerade an dieser zarten Seite der Bando Begeisterung noch manches Mal unsere stille Freude haben." (9)

 

Allerhöchstes Lob erhielt Matrosenartillerist Eugen Keim in der Rolle der Käthie in „Alt-Heidelberg". Der Rezensent schwärmt: „Und die Käthie? Die war, wie mein Nachbar im Theater ganz ergriffen sagte ‚wie ein Traum’. Es ist erstaunlich, wie der Darsteller (Mtr. Artl. Keim) es verstanden hat, uns ganz in die Illusion zu versetzen, ein deutsches Mädel leibhaftig vor uns zu haben, so ‚echt’ war das ganze Auftreten dieser Käthie mit ihrem lebhaft sprudelnden Temperament, ihrer treuherzigen Art und dem anheimelnden Dialekt. Von ihrem ersten Auftreten in der buntbewegten Studentenszene an hatte sie die Liebe der Zuschauer auf ihrer Seite und hielt sie mit ihrem überaus natürlichen Spiel fest bis zu der ergreifenden Wiedersehensszene zwischen ihr und Karl Heinz, dem Höhepunkt und Schluß des Stückes." (10)

 
 
 
 
 
 

(1) T.T.B. Bd. 5, 23. Oktober 1918, S. 1
(2) Die Baracke Bd. 3, No. 12 (65) 22. Dez. 1918, S. 261
(3) T.T.B. Bd. 6, 18. März 1919, S. 2
(4) T.T.B. Bd. 4, 3. April 1918, S. [4]
(5) T.T.B. Bd. 2, 20. Oktober 1917, S. 3
(6) T.T.B. Bd. 2, 8. November 1917, S. [4]
(7) Die Baracke Bd. 4, Juli 1919, S. 46
(8) Die Baracke Bd. 1, No. 17, 20. Januar 18. S. 17
(9) Die Baracke Bd. 1, No. 17, 20. Januar 18. S. 20
(10) Die Baracke Bd. 3, No. 4 (57) 27. Oktober 1918, S. 83