Theater

Aufführungen Oktober-Dezember 1917: Rezensionen

 
 
17. Oktober 1917 (dreimal wiederholt): „Die Journalisten" von Gustav Freytag6. November 1917 (dreimal wiederholt): „Minna von Barnhelm" von Gotthold Ephraim Lessing12. Dezember 1917 (dreimal wiederholt): „Pension Schöller" von Carl Laufs27. Dezember 1917: Hans-Sachs-Abend / 29. Dezember 1917: „Götz von Berlichingen"-Abend
 

Theatergruppe: Vereinigung Marugame-Matsuyama unter Leitung von H. Welter (1)
Vor der ersten Aufführung erschien in der „Baracke" ein einführender Artikel über das Stück. Der Autor meint: „Da es für den Kriegsgefangenen immerhin nicht ganz leicht ist, sich aus seiner grauen Alltagsstimmung in die heiteren Regionen aufzuschwingen, ‚wo die reinen Formen wohnen’ und wo bekanntlich ‚des Jammers trüber Strom nicht mehr rauscht’, glauben wir unsern Zuschauern den Genuß zu erhöhen, wenn wir sie mit einigen Worten hinleiten zu derjenigen Welt, in der die ‚Journalisten’ entstanden sind." (2) Daraufhin werden die Zeitumstände erläutert, in denen das Stück geschrieben wurde. Zur bevorstehenden Aufführung heißt es: „Eine Art Einweihung ist auch mit der Aufführung der ‚Journalisten’ von Gustav Freytag verbunden, mit der wir nach Beendigung der Sportwoche vor unsere Lagergenossen treten wollen. Diesmal weihen wir die neue Beleuchtung ein, die unter der kundigen Leitung unseres Lichtwarts Engels angelegt ist und mit der erst die Bühneneinrichtung einen vorläufigen Abschluß findet, wenn wir natürlich auch mit jeder künftigen Vorstellung diese Einrichtungen noch weiter zu verbessern hoffen. Doch noch in anderer Hinsicht handelt es sich diesmal um ein Erstlingswerk. Während die Truppen, die bisher gespielt haben, schon als fertige rampenerprobte Gemeinschaft aus den alten Lagern herüberkamen, tritt diesmal eine aus ehemaligen Insassen von Marugame und Matsuyama gemischte Mimenschar zum ersten Male auf. Aber in der von Herrn Suhr gemalten Bühnenausstattung, mit der Beihülfe Werner’scher Musikkomposition und unter Mitwirkung Engel’scher Streichmusik und als Abschluß des Ganzen mit Hansen’schen Trompetenklängen dürfen sie hoffen, ihren Zuschauern immerhin einen leidlich genußreichen Abend zu bereiten." (3)
 
Wie gelungen die Aufführung letztendlich war, läßt sich schwer beurteilen, denn die Besprechung in einer späteren Ausgabe der „Baracke" beschränkt sich auf eine Wiedergabe des Stückes. Der Rezensent richtet lediglich im letzten Satz ein herzliches Dankeschön an alle Mitwirkenden (4).

Programmheft . DIJ-Signatur E 2-02

Theatergruppe: Theatervereinigung der 6. Kompanie unter Leitung von A. Barghoorn und H. Pietzker (5)
 
Zwei Tage vor der Aufführung hielt Seesoldat Bohner einen Vortrag zu „Minna von Barnhelm" „für diejenigen, die das Stück nicht kennen und vorher etwas darüber hören möchten" (6). Auch im Theaterprogramm war ein kurzer erläuternder Text abgedruckt. Leider ist aus der Rezension des Stückes in der „Baracke" nicht viel über die Aufführung selbst zu erfahren, da der Rezensent beschlossen hatte: „Wir wollen nicht kritisieren, und das sei die beste Kritik, die wir zu geben haben." (7) Lediglich zwei Bühnenbilder sind überliefert.
 

 
 

Bühnenbild aus "Minna von Barnhelm": Saal. Die Baracke, Bd. 4, September 1919, zwischen S. 4 u. 5

 

Bühnenbild aus "Minna von Barnhelm": Das Zimmer des Fräuleins. Curt Lätzsch. Die Baracke, Bd. 4, September 1919, zwischen S. 8 u. 9

Theatergruppe: Gruppe Holtkamp (8)
Eigentlich war die erste Vorstellung von „Pension Schöller" schon für Montag, den 10.12.1917 vorgesehen, aber durch den Tod des nach längerer Krankheit verstorbenen Kriegsgefangenen Erich Riedel wurde diese Vorstellung auf den darauf folgenden Freitag verlegt. Wegen genügender Nachfrage setzte man außerdem noch eine zusätzliche Vorstellung für Sonntag an (9).
 
Wie nötig die Gefangenen eine Ablenkung hatten, beschreibt der Rezensent des Stückes in der „Baracke": „Mit Ansprüchen geht man nicht in eine Posse. Nur mit Erwartungen, mit mehr oder weniger offensichtlicher Hoffnung, sich einmal ordentlich auslachen zu können, sich für ein paar Stunden loszulösen von dem Einerlei des Alltages. Daß wir das hier doppelt nötig haben, hat die Theatergruppe Holtkamp richtig erkannt. Ein glücklicher Griff nach der ‚Pension Schöller’, die zu Hause allabendlich Tausende erheitert hatte, konnte auch hier, in unserem kleinen Kreise mit seinen bescheidenen Ansprüchen, ihre Wirkung nicht verfehlen. Sie setzt nichts von uns voraus, als Sinn für urwüchsigen Humor, augenfällige, drastische Komik. Sie verlangt kein Nachdenken über die Handlung, über Charaktere, Menschenschicksale; kleidet den Witz nicht in ‚Pointen’. Kein Kaviar, aber Extraessen, das jedem schmeckt, der noch nicht ganz mit der Welt und dem Leben gebrochen hat." (10)
 
Wie gelungen die Aufführung war, zeigt die Beschreibung des Finales: „Apotheose. Schluß. Lachen und wieder Lachen bei den Zuschauern bis zum Ende. Manchmal laut, miterlebend sehr laut, aber verzeihlich. Schenkelklopfen. Wiehern. Zufriedenheit auf allen Gesichtern. Nachdenklichkeit auf einigen. Posse? Das ganze Leben ein Possenspiel?" (11)

 
 

Da in der Vortragsreihe „Deutsche Geschichte und Kunst" von H. Bohner gerade das Mittelalter behandelt wurde, fanden in diesem Zusammenhang im Dezember 1917 ein Hans-Sachs-Abend und ein „Götz von Berlichingen"-Abend statt. Bei ersterem wurden mehrere Fastnachtsspiele aufgeführt, ein Lehrgedicht vorgetragen und ein Streitlied mit Lautenbegleitung in zwei verschiedenen Tonweisen gespielt dargeboten (12). Bei letzterem kamen Szenen aus „Götz von Berlichingen" zur Aufführung, die „ein anschauliches Bild der Ritterzeit mit seinen Rittern, Ritterfrauen, Bischöfen, Knappen, Reitern, Bauern, Knechten usw." (13) vermittelten.

 

(1) Die Baracke Bd. 1, No. 10, 2. Dezember 1917, S. 6
(2) Die Baracke Bd. 1, No. 2, 7. Okt. 1917, S. 17
(3) Die Baracke Bd. 1, No. 2, 7. Oktober 1917, S. 16
(4) Die Baracke Bd. 1, No. 4, 21. Oktober 1917, S. 18
(5) Die Baracke Bd. 1, No. 10, 2. Dezember 17, S. 7
(6) T.T.B. Bd. 2, 2. November 1917, S. 1
(7) Die Baracke Bd. 1, No. 8, 17. November 1917, S. 9
(8) Die Baracke Bd. 1, No. 15, 6. Januar 1918, S. 22
(9) T.T.B. Bd. 2, 15. Dezember 1917, S. 4
(10) Die Baracke Bd. 1, No. 13, 23. Dez. 17, S. 21
(11) Die Baracke Bd. 1, No. 13, 23. Dez. 17, S. 24
(12) Die Baracke Bd. 1, No. 16, 13. Januar 1918, S. 13-15
(13) Die Baracke Bd. 1, No. 16, 13. Januar 1918, S. 14-15