Austausch zwischen Deutschen und Japanern

Japan-Interesse der Kriegsgefangenen

 
 
Vorträge und AufsätzeMonografienBarth, Bohner, Meissner

Die Auseinandersetzung der Kriegsgefangenen mit ihrer japanischen Umgebung fand seinen Niederschlag in verschiedenen Vorträgen und Publikationen. Kurt Meissner sprach z.B. in einem Lichtbildervortag über „Alltagsleben und Feste in Japan" (1). Otto Euchler hielt ebenfalls einen Lichtbildervortrag über „Judo, den japanischen Ringkampf" (2). Zu den Vorträgen heißt es in der „Baracke": „es [war] sehr freundlich von Kamerad Meissner, daß er uns in zwei lehrreichen Vorträgen mit hübschen Lichtbildern über allerhand Japanisches aufgeklärt hat. Vz. Feldw. Euchlers Vortrag über ‚Judo’ machte ebenfalls viel Spaß." (3) Im April 1918 fand auch einmal eine zweitägige „Ausstellung von Original Drucken [sic] japan. Bilder" (4) im Billardraum statt. Es ist aber nicht klar von wem diese Ausstellung organisiert wurde oder wie gut sie besucht war.

In der Lagerzeitschrift „Die Baracke" erschienen zahlreiche Artikel, die sich mit Japans Kultur, Industrie und Geschichte beschäftigten. Insbesondere die Gegebenheiten auf Shikoku, die Insel, auf der sich das Lager Bandō befand, wurden mehrfach behandelt. Es finden sich u.a. folgende Themen:

  • „Verwaltung und Wirtschaft im Itano-Kreis [Verwaltungsbezirk, zu dem das Lager gehörte]" (5)
  • „Hamleth und die 47 Ronin [Literarisch-vergleichende Betrachtung]" (6)
  • „Japans Handelsschiffbau" (7)
  • „Die Pilgerfahrt zu den 88 heiligen Stätten Shikokus" (8)
  • „Die Daimyō-Gräber von Tokushima" (9)
  • „Bushido" (10)
  • „Schikoku-Salz" (11)
  • „Einiges über die Seidenzucht in Japan" (12)
  • „Fukurokuyu [sic] (Rakugo von Sanyutei Enchō) [Übersetzung]" (13)
  • „Der Oasa-Tempel" (14)


Manche der Artikel waren reichhaltig illustriert und dadurch sehr anschaulich gestaltet, wie z.B. im Fall des letztgenannten Artikels zum Oasa Jinja (in den Lagerpublikationen: Oasa-Tempel).

 
 

In der Lagerdruckerei erschienen auch mehrere Monografien, die sich mit Japan beschäftigten. Tittel veröffentlichte 1919 nach japanischen Quellen das Buch „Sumo, der japanische Ringkampf". Zusammen mit Großmann gab er auch die „Erläuterungen zu den japanischen Volksschulfibeln" in 12 Heften heraus (15). Dabei handelte es sich um Übersetzungen der japanischen Lesebücher der sechs Volksschulklassen. Meissner übersetzte ebenfalls ein japanisches Erdkunde-Lehrbuch für die Mittelschule unter dem Titel „Japanische Erdkunde", welches 1918 erschien (16).

Bereits 1916 im Lager Matsuyama, welches später mit Marugame und Tokushima zu Bandō vereinigt wurde, gab Meissner seinen Mitgefangenen Japanischunterricht. Dabei entstand sein Buch „Die japanische Umgangssprache", dessen erste Auflage 22 Exemplare umfasste (17). Dieses Buch erwies sich als sehr erfolgreich. Es wurde zunächst in Bandō in einer Auflage von 200 Exemplaren nachgedruckt. Nach Ende der Kriegsgefangenschaft gab die Deutsche Vereinigung Tōkyō 1921 und 1930 eine maschinenschriftliche Version des Buches heraus. 1936 ließ der Autor schließlich selbst eine überarbeitete Ausgabe unter dem Titel „Unterricht in der Japanischen [sic] Umgangssprache" drucken. Das Buch erfuhr mehrere Neuauflagen und erschien ab 1954 unter dem Titel „Einführung in die japanische Umgangssprache" bei Harrassowitz.

Aus dem japanischen Buch „Kokumin nenchū gyōji" von NAKAYAMA Saburō, welches die Bräuche im Jahreskreis behandelt, erschienen zunächst auszugsweise Übersetzungen in der „Baracke" (18). Nach Ende der Kriegsgefangenschaft veröffentlichten 1926 die ehemaligen Gefangenen Barghoorn, Keyssner, van der Laan, Rudolf und Simonis eine vollständige Übersetzung unter dem Titel „Das Jahr im Erleben des Volkes" als Band 20 der „Mitteilungen der Deutschen Gesellschaft für Natur- und Völkerkunde Ostasiens".

 
 

Unter den Kriegsgefangenen aus Bandō setzten v.a. Johnnes Barth, Hermann Bohner und Kurt Meissner ihre japanwissenschaftlichen Studien fort. Bohner (1884-1963) kehrte nach der Entlassung 1920 zunächst für zwei Jahre an die Missionsschule in Tsingtau zurück, wo er bei Kriegsausbruch 1914 gerade angefangen hatte zu arbeiten. Danach nahm er eine Stellung an der späteren Fremdsprachen-Universität Ōsaka an. Dort war er bis zu seinem Tod tätig. Bohner hat sich mit zahlreichen Übersetzungen und Arbeiten zum japanischen Nō-Theater große Dienste in der deutschsprachigen Japanologie erworben.

Meissner (1885-1976) arbeitete nach der Entlassung aus der Gefangenschaft wieder als Kaufmann in Japan, wo er bis 1963 lebte. Seinen Lebensabend verbrachte er in Hamburg und Locarno. 1973 veröffentlichte er seine Lebenserinnerungen (Meissner, Kurt. Sechzig Jahre in Japan. Lebenserinnerungen von Kurt und Hanni Meissner. Hamburg : Meissner, 1973). In seiner Forschung beschäftigte sich Meissner v.a. mit den deutsch-japanischen Kulturbeziehungen und mit volkskundlichen Themen.

Barth (1891-1981) war ebenfalls Geschäftsmann und hat sein bewegtes Leben in einer Autobiografie festgehalten (Barth, Johannes. Als deutscher Kaufmann in Fernost. Bremen – Tsingtau – Tōkyō 1891-1981. Berlin: Schmidt, 1984). Seine Hauptwerke behandeln die japanische Theatergeschichte, Edo und die Edo-Zeit sowie Kamakura und die Kamakura-Zeit.

Meissner und Barth waren während ihrer Zeit in Japan auch führende Mitglieder der OAG (Gesellschaft für Natur- und Völkerkunde Ostasiens) in Tōkyō. In den OAG Publikationen wurden zahlreiche Arbeiten ehemaliger Kriegsgefangener veröffentlicht.

 

(1) Die Baracke Bd. 3, No. 18 (71) 2. Februar 1919, S. 407; Die Baracke Bd. 3, No. 22 (75) 1. März 1919,  S. 502
(2) Die Baracke Bd. 3, No. 22 (75) 1. März 1919, S. 502
(3) Die Baracke Bd. 3, No. 21 (74) 23. Febr. 1919, S. 478-479
(4) T.T.B. Bd. 3, 8. April 1918, S. 3
(5) Die Baracke Bd. 1, No. 4, 21. Oktober 1917, S. 6-10
(6) Die Baracke Bd. 1, No. 5, 28. Okt. 17, S. 1-10
(7) Die Baracke Bd. 1, No. 21, 17. Februar 1918, S. 10-15=458-463
(8) Die Baracke Bd. 2, No. 11 (37), 9. Juni 1918, S. 285-294
(9) Die Baracke Bd. 2, No. 14 (40), 30. Juni 1918, S. 365-378
(10) Die Baracke Bd. 2, No. 20 (46), 11. August 1918, S. 538-540
(11) Die Baracke Bd. 2, No. 22 (48), 25. August 1918, S. 569-574
(12) Die Baracke Bd. 3, No. 18 (71) 2. Febr. 1919, S. 385-394
(13) Die Baracke Bd. 4, April 1919, S. 3-35
(14) Die Baracke Bd. 4,Juni 1919, S. 7-30
(15) DIJ-Signatur B 02
(16) DIJ-Signatur B 16
(17) Meissner, Kurt. Unterricht in der Japanischen Umgangssprache. Tōkyō: Kurt Meissner, 1938. 5. Aufl. S. IV
(18) Die Baracke Bd. 4, Mai 1919, S. 93-109: „Der Mai. Der Juni"; Die Baracke Bd. 4, Juni 1919, S. 44-58: „Der Juli"; Die Baracke Bd. 4, Juli 1919, S.36-45: „Der August"; Die Baracke Bd. 4, August 1919, S. 40-51: „Der Monat September"; Die Baracke Bd. 4, September 1919, S. 25-36: „Der Oktober"