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Ausstellung für Bildkunst und Handfertigkeit
Japanische Besucher
Auf dem Ausstellungsgelände. Foto aus Besitz des Deutschen Hauses Naruto, Negativ-Nr. 38-30
War die Ausstellung ursprünglich nur vom 8. bis 17. März geplant gewesen, so wurde sie auf Wunsch der Lagerbehörde um zwei Tage verlängert (1). Grund war der sehr große Andrang japanischer Besucher, aber auch das schlechte Wetter, durch das viele Interessierte die Ausstellung nicht besuchen konnten. Insgesamt gab es vier deutsche und acht japanische „Besucher-Tage" mit einer Gesamtbesucherzahl von 50.095 Personen (2). Besonders erwähnt werden in der „Baracke" die folgenden Besucher: „… Herr Pfarrer Schröder aus Tokyo, die in Tokushima wohnenden deutschen Damen und eine Anzahl unserer Landsleute aus Kobe. In den ersten Tagen besichtigten die Spitzen der japanischen Behörden die Ausstellung, u.a. der Stadtkommandant von Tokushima, Generalmajor Yamaguchi, zahlreiche Offiziere des Inf. Reg. Nr. 62, ein Vertreter des Ackerbau-Ministeriums, der Präfekt des Tokushima-ken, der Vorsitzende des Provinzial-Landtages, außerdem viele Beamte, Stadtverordnete, Fabrikanten und Kaufleute." (3)
Angesichts von durchschnittlich über 5500 Besuchern an den „japanischen Tagen" muss die Ausstellung sehr überfüllt gewesen sein. Fotos zeigen Schlangen vor dem Tempeltor und in der „Baracke" heißt es: „In endloser Reihe belagerten Männer und Frauen, Kinder und Greise aller Stände den Eingang, ... und ängstlich hielten sich viele am Kimono des Vordermannes um ja nicht den glücklich ergatterten Platz in der Reihe zu verlieren." (4). Zahlreiche Schulklassen wurden durch die Ausstellungsräume geschleust und 18 Dolmetscher bemühten sich den Japanern die deutschen Gegenstände zu erläutern (5). Von den kleinen Besuchern steht in der „Baracke" zu lesen: „Das dankbarste Publikum waren aber wohl die zahlreichen Kinder, die unter Führung ihrer Lehrer und Lehrerinnen die Ausstellung besuchten. Die interessantesten Ausstellungsobjekte für sie waren offenbar die bösen Feinde in höchsteigener Person. Hunderte von Augen folgten jedem Geigenstrich, hingen an jedem Bissen, den so ein armer Kriegsgefangener sich zu Gemüte führte ..." (6).
Ein Gefangener erläutert Kindern eines der Bilder . Die Baracke Bd. 1, No. 25, 17. März 1918, S. 38=578
Zwei Artikel in der „Baracke" beschäftigten sich ausführlich mit dem japanischen Publikum der Ausstellung. Den Autorenkürzeln nach zu urteilen, stammen sie aus der Feder der beiden Dolmetscher Kurt Meissner und Hans Eggebrecht. Beide berichten von ihren Erlebnissen mit den japanischen Besuchern während der Ausstellung, von Fragen, die ihnen gestellt wurden und Anekdoten, die sich ereigneten. Die Artikel zeigen auch, dass manche Gefangene, wie Meissner oder Eggebrecht, sich große Kompetenzen als interkulturelle Vermittler angeeignet hatten. So erläutert z.B. Meissner mit viel Verständnis für die japanische Mentalität die Reaktion der japanischen Besucher auf das Bild eines europäischen Kriegers, der sich mit einem Kuss verabschiedet: „Uns [Deutschen] erscheint es seltsam, daß über dieses Bild fast alle Japaner lachten. Aber für den Japaner ist unser Kuß nichts als eine unpassende Zurschaustellung sinnlicher Liebe. Er selbst ist kein Verächter dieser Liebe, aber er schätzt sie nur unter vier Augen. Wenn der Japaner in den Krieg zieht, macht sie eine Verbeugung, und er nickt kaum mit dem Kopfe, und doch lieben beide sich vielleicht nicht weniger als das deutsche Paar." (7)
Es waren wohl die „einfachen Gegenstände, die aus sonst nutzlosen Sachen wie Staniolpapier, Flaschenverschlüsse, Zigarettenpapier gemacht waren." (8), die die Japaner am meisten beeindruckten. In dieser Sparsamkeit sahen sie weniger die widrigen Umstände der Kriegsgefangenschaft. In ihren Augen waren die „Deutschen ...[vielmehr] ein wirtschaftlich denkendes Volk" (9). Diese Ansicht wurde auch in einem Zeitungsartikel vertreten, der zur Eröffnung der Ausstellung in der Asahi Shinbun erschienen war und dessen Übersetzung im T.T.B. abgedruckt wurde. In diesem Artikel wird auch die Ausmalung des Kōkaidō und die Laubdekoration erwähnt, wodurch das Gebäude „vollkommen umgebaut" (10) sei.
Der Wert der Ausstellung für die Verständigung zwischen den damals verfeindeten Nationen Japan und Deutschland war den Gefangenen sehr wohl bewusst. Meissner schreibt: „So war den Japanern in unserer Ausstellung vieles fremdartig. Sie wurden, um die ungeheure Anzahl in den engen Räumen zu bewältigen, förmlich durchgehetzt, ohne alles gesehen zu haben. Aber doch glaube ich, daß das Wort ‚deutsch’ heute in ihren Ohren anders klingt als vorher." (11) Der Berichterstatter in der „Baracke"zieht ebenfalls stolz das positive Fazit: „Eins aber erfüllt uns mit besonderer Freude: Tausende von Bewohnern des Landes, das uns gefangen hält, haben die Werke deutscher Kriegsgefangener mit eigenen Augen bewundert, Hundertausende hören davon durch mündliche Berichte und durch die Zeitungen. Ihnen allen, denen seit Kriegsbeginn immer und immer wieder neu das Lügenbild des deutschen Barbaren gezeigt worden ist, ihnen konnten wir mit unserer Ausstellung ein Stück echt deutschen Wesens vor Augen führen." (12)
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